Der Silberpreis hat im Oktober das in den 1980er Jahren ausgebildete Allzeithoch bei 50 US-Dollar je Feinunze erreicht und es anschließend signifikant überwunden. Das war 2012, als die Marke von 50-US-Dollar ebenfalls kurzzeitig erreicht wurde, noch anders. Damals wurde das alte Hoch nur um wenige Cent überboten.
Gemeinsam war beiden Anstiegen jedoch eine ausgesprochene Steilheit, die auch beim diesjährigen Anstieg zu beobachten war. Ihr folgte sowohl 1980 wie auch 2012 ein ebenso steiler Abverkauf. Das führt zwangsläufig zu der Frage, ob sich eine ähnliche Entwicklung auch jetzt wieder einstellen könnte.
Blickt man allein auf die Charts und ihre Steilheit, so ist diese Gefahr in der Tat sehr groß. Unterschiedlich sind jedoch die fundamentalen Gründe die damals und heute zu den jeweiligen Anstiegen geführt haben. Es ist daher sinnvoll, sich mit ihnen detailliert zu beschäftigen.
Wenn Öl-Milliardäre auch beim Silber erfolgreich sein wollen
Der massive Anstieg, den der Silberpreis Anfang der 1980er Jahre vollzog, ist unweigerlich mit den Brüdern Nelson Bunker Hunt und William Herbert Hunt verbunden. Ihr angestammtes Business war das Ölgeschäft. Hier hatten sie ein Milliardenvermögen gemacht und in den 1970er Jahren miterlebt, wie der Ölpreis von unter zwei auf 40 US-Dollar je Barrel (159 Liter) angestiegen war.
Nun schwebte ihnen gleiches mit dem wesentlich kleineren Silbermarkt vor. Deshalb kauften die in Texas beheimaten Brüder enorme Mengen an Silber auf. Zunächst wurde das Silber vor allem physisch gekauft und gehortet, später wurden die Hunt-Brüder auch am Terminmarkt aktiv. Ihr Ziel war, so große Silberbestände aufzubauen, dass sie den Preis diktieren konnten.
Ihre Rechnung ging zunächst auf, denn der Silberpreis stieg von 1,50 US-Dollar je Unze zu Beginn der 1970er Jahre bis 1980 auf 50 US-Dollar an. Doch als dieses Preisniveau erreicht worden war, griffen die die Regulierungsbehörden und die Börsenbetreiber ein. Sie verschärften die Handelsregeln, denn es durften nur noch bestehende Kontrakte geschlossen jedoch keine neuen mehr gekauft werden. Damit versetzten sie der Rallye den Todesstoß.
Der Spuk endet so schnell wie er gekommen war
Die neuen Bestimmungen führten schnell zu einer massiven Kettenreaktion. Die Hunt-Brüder standen nun vor der Herausforderung, ihre Kredite bedienen zu müssen. Als sie dies nicht mehr konnten und zwangsweise verkaufen mussten, stürzten die Kurse ab. Die künstlich erzeugte Rallye war vorüber und der Silberpreis sollte erst 2012 wieder in diese Preisregionen vordringen.
Festzuhalten bleibt somit, dass der Silberpreis 1980 nur durch eine künstlich herbeigeführte Verknappung so stark angestiegen ist. Hätten die Hunt-Brüder den Markt nicht gecornert, hätte die Rallye nie begonnen, geschweige denn das hohe Preisniveau von 50 Euro erreicht.
Wird sich ein derartiges Szenario am Silbermarkt in Kürze wiederholen? Mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht, denn der Silberpreisanstieg des Jahres 2025 geht nicht auf eine Manipulation oder spekulative Käufe einzelner sehr hoch kapitalisierter Anleger zurück. Anders als 1980 treibt heute eine echte Nachfrage den Silberpreis. Sie geht vor allem von der Industrie aus. Diese bedient sich des Silbers nicht als Mittel zur Spekulation, sondern benötigt es für ihre Produkte.

Wesentliche Voraussetzungen sind heute anders
Es ist nicht nur die echte Nachfrage der Industrie die den Silberpreisanstieg von 2025 vom dem von 1980 unterscheidet. Auch die Positionierung der Anleger an den Terminmärkten ist heute eine ganz andere. Waren die Hunt-Brüder 1980 long positioniert und setzten damit auf steigende Silberpreise kennzeichnet den heutigen Silbermarkt ein Short Squeeze.
Viele Anleger haben auf fallende Silberpreise gesetzt. Sie geraten mit jedem Dollar, den Silber weiter ansteigt zunehmend unter Druck. Der Druck ist dabei ein doppelter, denn nicht nur die Shortpositionen zu schließen wird teurer. Gleichzeitig fordern auch immer mehr Silberkäufer nicht nur einen Barausgleich, sondern bestehen auf der Lieferung der gekauften Ware.
An dieser Stelle wird zum Problem, dass die Lagerbestände an der Londoner Metallbörse seit Monaten rückläufig sind. 1980 hingegen waren die Lager voll. Damals war in den Lagern zu jedem Zeitpunkt genügend Silber vorhanden, um alle Wünsche auf Auslieferung der Ware problemlos erfüllen zu können.
Es fehlt an Silber und viele Marktteilnehmer lagen mit ihren Prognosen falsch
Von dieser paradiesisch anmutenden Situation sind wir heute weit entfernt. Die Lager sind nicht voll, sondern leer und der weltweite Silberverbrauch geht nicht zurück, sondern nimmt von Jahr zu Jahr tendenziell zu. Das ist ein sehr wichtiger und entscheidender Unterschied zu den Jahren 1980 und 2012.
Shortpositionen, die an der Börse ins Minus gelaufen sind, kann man vergleichsweise schnell wieder schließen. Das ist zwar für den schiefliegenden Spekulanten unter Umständen sehr teuer, doch dadurch steht der Silbermarkt als Ganzer nicht auf der Kippe. Anders verhält es sich mit der stark gestiegenen physischen Nachfrage. Sie will bedient werden und zwar nicht mit Papiersilber, sondern mit echtem Metall.
Sich kurzfristig Silber zu leihen, war in früheren Jahren die klassische Lösung für ein solches Problem. Doch bei Gebühren von 39 Prozent für eine einmonatige Silberleihe wird schnell deutlich, dass auch dieser Ausweg mittlerweile zu einem finanziellen Minenfeld mutiert ist.
Gute Aussichten für Silberkäufer und Silberbesitzer
Auch wenn im Chart der Kursanstieg der letzten Monate stark an die Preisentwicklung des Jahres 1980 erinnert, so sind die Umstände heute doch ganz andere als damals. Vor 45 Jahren setzten die Hunt-Brüder mit Krediten auf einen stark steigenden Silberpreis. Heute steigt der Silberpreis, weil die Nachfrage hoch ist und sich zusätzlich Marktteilnehmer, die auf einen fallenden Silberpreis gesetzt haben, geirrt haben.
Die vermeintliche Nachfrage von 1980 war ein Luftschloss, die heutige hingegen ist sehr real. Im Jahr 1980 absorbierte die Industrie nur rund 30 Prozent der weltweiten Silberproduktion, heute sind es bereits 60 Prozent. Auch unabhängig von der Shortseller-Thematik kann daher erwartet werden, dass der Silbermarkt auch in den kommenden Jahren mit einem Defizit zu kämpfen haben wird. Dies ist zumindest die Einschätzung des Silver Instituts. Dieses geht davon aus, dass ein strukturelles Angebotsdefizit besteht, das noch über viele Jahre hinweg anhalten dürfte.
Der Druck auf dem Silberpreis dürfte daher auch weiterhin hoch bleiben. Das schließt Preiskorrekturen keineswegs aus, lässt aber die Erwartung zu, dass diese eher ein vorübergehendes Phänomen darstellen werden und die übergeordnete Rallye weitergeht.