Der Dienstag brachte an den Edelmetallmärkten die lang erwartete Korrektur. Sie dürfte dennoch einige Marktteilnehmer überrascht haben, denn Gold fiel an nur einem Tag um 235 US-Dollar. Das entsprach nicht nur einem herben prozentualen Rückgang von 5,39 Prozent, sondern stellte auch laut den FactSet-Daten den stärksten Kursrückgang seit dem Juni 2013 dar.
Auch wenn einige sehr bullische Stimmen im Vorfeld der Ansicht waren, dass Silber, weil es so knapp ist, nicht mehr korrigieren könne, konnte sich auch der kleine Bruder der negativen Stimmung bei Gold nicht entziehen und verzeichnete ebenfalls kräftige Abgaben. Gegenüber dem Vortag verlor der Silberpreis 3,72 US-Dollar oder 7,2 Prozent und fiel unter die Marke von 50 US-Dollar auf 48,66 US-Dollar je Feinunze zurück.
Einen so hohen Tagesverlust hatte es bei Silber seit dem September 2011 nicht mehr gegeben. Auf den ersten Blick mag es deshalb so erscheinen, als sei das Silber an den Terminmärkten nicht nur unter die Räder gekommen, sondern anschließend auch noch kräftig verprügelt worden. Dieser Eindruck ist richtig und falsch zugleich.
Gerade in der Korrektur offenbart Silber seine augenblickliche Stärke
Mit einem Kursrückgang von 7,2 Prozent gegenüber „nur“ 5,39 Prozent beim Gold fielen die Abgaben bei Silber in der Tat deutlich höher aus als bei Gold. Das ist allerdings alles andere als verwunderlich. Es ist, wenn man in die Geschichte der Märkte zurückschaut, sogar die Regel. Im Durchschnitt fallen in solchen Korrekturen die Verluste bei Silber nicht nur höher aus als bei Gold, sondern sind in der Regel doppelt so hoch wie die zeitgleichen Verluste des Goldes.
Bedingt ist diese höhere Volatilität des Silbers unter anderem durch die relative Enge des Marktes. Der Silbermarkt ist so klein, dass abrupte Verkäufe der größeren Marktteilnehmer unweigerlich, wie die Bewegungen eines Elefanten im Porzellanladen anmuten müssen. Nimmt man dieses historische Wissen zum Maßstab, so überrascht der jüngste Rückgang um 7,2 Prozent in der Tat. Hätte sich die historische Erfahrung wiederholt, wären eher Tagesverluste im Bereich von zehn bis elf Prozent zu erwarten gewesen.
Insofern ist die relative Stärke des Silbers in der Tat bemerkenswert. Sie deutet auf eine zugrunde liegende Stärke der Marktstruktur des weißen Edelmetalls. Das Silver Institute erwartet, dass das Angebot an Silber noch auf Jahre hinaus die Nachfrage nicht wird decken können. Ein solches strukturelles Defizit löst sich nicht über Nacht auf und erst recht nicht dadurch, dass der Silberpreis wieder etwas günstiger wird, was die Käufer eher dazu anhalten dürfte, mehr als weniger Silber nachzufragen.
Auch im historischen Kontext ist Silber derzeit alles andere als teuer. Hinter Gold liegt eine extrem steile Rallye wie sie seit den 1970er Jahren nicht mehr an den Finanzmärkten gesehen wurde. Zum Schluss verlief der Anstieg fast parabolisch, was unweigerlich die Gefahr einer kräftigen Korrektur heraufbeschwört. Silber hingegen hatte in den letzten Tagen „nur“ wieder das alte Hoch aus dem Jahr 1980 erreicht und dieses erstmals in seiner Geschichte auch deutlich überwunden.
Der historische Vergleich spricht klar für Silber
Als das Silber 1980 sein Hoch erreichte, bildete auch Gold bei rund 800 US-Dollar sein damaliges Hoch aus. Im Jahr 2011 konnte Silber die alte Höchstmarke zwar noch einmal erreichen, es gelang allerdings nicht, sie auch signifikant zu überwinden. Verglichen mit dem Hoch von 2011 hat sich Silber durch den Vorstoß bis auf 54 US-Dollar um gut zehn Prozent über das Hoch von 2011 hinausgeschoben, ehe die Konsolidierung einsetze. Gold hingegen notierte am Vorabend der Korrektur um mehr als 128 Prozent über seinem Stand von 2011.
Wenn man also davon sprechen möchte, dass im Vorfeld des jüngsten Kurseinbruchs eine spekulative Übertreibung bestanden habe, dann höchstens bei Gold, nicht bei Silber. Hier besteht auch jetzt noch eine Bewertungslücke, die immer noch nicht geschlossen wurde. Im Gegenteil: Da Silber immer noch etwas mehr verloren hat als Gold, ist die bestehende Lücke sogar wieder etwas größer geworden.
Anleger können daher auch weiterhin davon ausgehen, dass Silber im Vergleich zu Gold noch unterbewertet ist. Vor dem Hintergrund der fundamentalen Angebotsengpässe und der prekären Versorgungslage kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die Rallye bei Silber kurzzeitig unterbrochen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nicht beendet ist.