Die Diskussion um die Versorgung mit Seltenen Erden erhält neuen Schwung: Laut einem Reuters-Bericht prüfen die G7-Staaten gemeinsam mit der Europäischen Union, Preisuntergrenzen für Seltene Erden-Rohstoffe und -Produkte einzuführen. Ziel wäre es, Anreize für Produzenten außerhalb Chinas zu schaffen und die starke Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten zu reduzieren. Seltene Erden sind essenziell für Hightech-Anwendungen – von Smartphones über Elektromobilität bis hin zu Verteidigungssystemen – und gelten als strategisch kritische Rohstoffe.
Warum Seltene Erden im Fokus stehen
China dominiert aktuell die globale Wertschöpfung: Beim Minenabbau haben chinesische Anbieter einen sehr hohen Marktanteil, bei der Verarbeitung – dem aufwendigen Schritt vom Erz bis zum marktfähigen Oxid, Karbonat oder Metall – kontrolliert das Land mehr als 90 % der Kapazitäten. Für viele G7-Länder bedeutet das eine starke Abhängigkeit bei Vorprodukten wie NdPr-Oxiden (Neodym/Praseodym) oder Halbfertigteilen für Permanentmagnete, die in Windturbinen, E-Motoren von EVs und zahlreichen Industriegütern eingesetzt werden. Japan bildet hier teils eine Ausnahme, da das Land früher und konsequenter alternative Bezugsquellen und Recyclingpfade aufgebaut hat.
Die jüngsten Überlegungen der G7 und der EU sind eingebettet in eine breitere Diskussion über wirtschaftliche Sicherheit, Industriepolitik und die Resilienz kritischer Lieferketten. Hintergrund ist auch, dass China im Zuge handelspolitischer Spannungen wiederholt Exportkontrollen für Seltene Erden und Magnetprodukte verhängt oder angedeutet hat. Zwar haben sich die Liefermengen zuletzt normalisiert, die Sorge um die Versorgungssicherheit bleibt jedoch bestehen – insbesondere in Europa berichten Abnehmer von Engpässen und Druck auf die Produktion.
Preisuntergrenze als industriepolitisches Instrument
Kern der Debatte ist die Einführung von Preisuntergrenzen (Price Floors) für Seltene Erden und ausgewählte Weiterverarbeitungsstufen. Eine solche Untergrenze – flankiert durch staatliche Unterstützungsinstrumente – könnte Investitionssicherheit für neue Minen-, Aufbereitungs- und Veredelungsprojekte in Nordamerika, Europa und Australien schaffen. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen wurde dieses Modell in jüngsten Gesprächen der G7 in Chicago diskutiert; die USA haben im Sommer bereits ein subventionsgestütztes System als Referenz ins Spiel gebracht. Kanada soll dem Ansatz aufgeschlossen gegenüberstehen, Australien prüft dem Vernehmen nach ebenfalls die Einführung einer Preisstützung.
Die Logik dahinter: Die Gewinnung und Verarbeitung von Seltenen Erden ist technisch anspruchsvoll, kapitalintensiv und mit Umweltauflagen verbunden. Ohne zu erwartende Preisunterstützung und planbare Nachfrage scheuen viele Akteure den Aufbau paralleler Kapazitäten neben dem etablierten, kostengünstigen Angebot aus China. Ein Price Floor könnte Preisschwankungen abfedern, Investitionen kalkulierbarer machen und damit die Grundlage für Produktionsketten „nahe dem Markt“ legen – von der Mine über die Chemie bis hin zu Magneten für E-Mobilität und erneuerbare Energien.
Weitere Optionen: Geografische Vorgaben und CO₂-basierte Abgaben
Neben Preisuntergrenzen standen laut Bericht zwei weitere Maßnahmen zur Debatte. Erstens: geografische Beschränkungen für die Beschaffung, also Regeln, die das Sourcing aus bestimmten Ländern – etwa China – begrenzen oder stärker regulieren. Ziel wäre es, Lieferketten zu diversifizieren und Risiken zu reduzieren. Allerdings herrscht unter den G7-Partnern offenbar noch keine Einigkeit über Reichweite und Ausgestaltung solcher Vorgaben.
Zweitens wird ein Carbon Border-ähnlicher Ansatz diskutiert: eine Abgabe oder ein Zollaufschlag auf chinesische Exporte von Seltenen Erden und Magnetprodukten, der sich am Anteil nicht erneuerbarer Energie in der Herstellung orientiert. Damit würden Emissionen entlang der Lieferkette eingepreist und gleichzeitig ein Anreiz gesetzt, Produktion in Regionen mit höherem Anteil erneuerbarer Energien aufzubauen oder umzurüsten. Für europäische und nordamerikanische Produzenten könnte ein solches Instrument Wettbewerbsnachteile reduzieren, sofern die Kriterien transparent und WTO-konform gestaltet werden.
Bedeutung für Industrie und Endmärkte
Für die stark wachsenden Bereiche Elektromobilität, Windenergie und Elektronik hat die Versorgung mit Seltenen Erden strategische Relevanz. Permanentmagnete auf NdFeB-Basis sind in vielen E-Motoren Standard, und auch in Offshore-Windturbinen kommen seltene Erdmetalle in großem Umfang zum Einsatz. Ein stabiler, diversifizierter Zugang zu Rohstoffen wie Neodym, Praseodym, Dysprosium oder Terbium gilt daher als zentral, um Produktionsziele zu erreichen und Lieferengpässe zu vermeiden.
Sollten G7 und EU tatsächlich Preisuntergrenzen und/oder CO₂-basierte Abgaben einführen, könnte das mittelfristig Investitionsentscheidungen entlang der gesamten Wertschöpfung beeinflussen – vom Bergbau (Mining) über die chemische Aufbereitung (Separation, Raffination) bis zur Magnetfertigung. Für Abnehmer in der EU, die zuletzt teilweise von Engpässen und steigenden Risiken berichteten, stünde die Chance auf belastbarere Lieferbeziehungen im Raum. Gleichzeitig wären die Ausgestaltung, Finanzierung und internationale Abstimmung solcher Instrumente entscheidend, um Marktverzerrungen zu begrenzen und Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Einordnung und Ausblick
Die Diskussion um Preisuntergrenzen für Seltene Erden spiegelt den Spagat zwischen Marktmechanismen und industriepolitischen Zielen wider. Befürworter sehen darin ein Mittel, Abhängigkeiten zu verringern und notwendige Kapazitäten außerhalb Chinas aufzubauen. Skeptiker verweisen auf die Komplexität der Umsetzung, mögliche Handelskonflikte und die Gefahr, dass staatliche Stützungsmaßnahmen Fehlanreize setzen könnten. Klar ist: Ohne zusätzliche Investitionen in Förderung, Recycling und Verarbeitung bleibt die globale Versorgung anfällig für politische Spannungen und Preisschocks.
In den kommenden Monaten dürfte sich zeigen, ob G7 und EU konkrete Schritte in Richtung eines koordinierten Rahmens gehen. Für Unternehmen entlang der Lieferkette – vom Rohstoffprojekt bis zum Magnethersteller – ist die weitere Entwicklung der Seltene-Erden-Politik ein wichtiger Parameter bei Investitions- und Standortentscheidungen.
Teil westlicher Selten Erd-Lieferketten: Ucore Rare Metals
Schon vor Jahren beschlossen, sich als Teil einer westlichen Lieferkette für Seltene Erden zu etablieren hat Ucore Rare Metals (WKN A2QJQ4/ TSXV UCU). Das kanadische Unternehmen hat eine eigene Technologie zur Aufbereitung der Seltene Erden-Ausgangsmaterialien namens RapidSX entwickelt, die nicht nur schneller ist, sondern auch einen weniger negativen Einfluss auf die Umwelt hat als die in China übliche Solvent Extraction (SX).
Ucore plant, eine erste Produktionslinie schon im zweiten Halbjahr 2026 in Betrieb zu nehmen. In der Anlage im US-Bundesstaat Louisiana, die bereits mit insgesamt mehr als 22 Mio. USD vom US-Verteidigungsministerium gefördert wird, sollen dann nach und nach weitere Fertigungsstraßen in Betrieb gehen. Erst vor Kurzem meldete Ucore zudem eine Kooperation mit einem australischen Technologieunternehmen, die es erlauben soll, auch Material aus unterschiedlichsten Quellen wie z.B. Elektroschrott zu nutzen.
