1. Rückblick
Seit dem Hoch bei 64.895 USD am 14.April 2021 sind die Preise für einen Bitcoin gewaltig unter Druck geraten. Aktuell handelt der Bitcoin „nur noch“ um 34.000 USD und damit fast 50% tiefer! Während Ethereum und zahlreiche kleine Altcoins ab Mitte April erst zum großen Finale ansetzten, wurden die Ermüdungserscheinungen beim Bitcoin schrittweise immer offensichtlicher. Mit einem klaren Übertreibungshoch bei 4.375 USD sorgte dann Ethereum am 12.Mai für das Ende der spektakulären Krypto-Hausse. Der gesamte Sektor kippte und es folgte eine gnadenlose Liquidationswelle, die so ziemlich alles mit sich in die Tiefe riss. Erst bei Kursen um 29.500 USD fand der Bitcoin ein vorübergehendes Tief, welches gestern mit 29.250 USD nochmals leicht unterboten wurden. Ethereum hingegen fand in den letzten Wochen gar keinen Halt und fiel gestern mit 1.711 USD deutlich unter das Paniktief vom 21.Juni bei 1.896 USD. In den letzten 22 Stunden melden sich die Krypto-Bullen nun aber deutlich zurück und können bereits eine klare Erholung von den Tiefs (Bitcoin +17,91%, Ethereum +19,5%) erzwingen.
Wir hatten vor sechs Wochen rechtzeitig und absolut massiv vor einem drohenden Rücksetzer gewarnt. Dass der Krypto-Sektor allerdings nur wenige Tage später dann derart heftig unter die Räder gekommen ist, hat auch uns erstaunt. Die enorme Volatilität im Mai war vor allem der vorangegangenen überbordenden Spekulation mit Hebel und Fremdkapital geschuldet. Positionen im Wert von über 8 Mrd. USD wurden beispielsweise bereits am 19.Mai auf zahlreichen Börsen innerhalb weniger Minuten durch Zwangsliquidationen geschlossen. Auch in den letzten Handelstagen kam es im Zuge der Preisrückgänge erneut zu einer Liquidationswelle.
Insgesamt gelang dem Bitcoin in den letzten Wochen zumindest eine seitwärts verlaufende Handelszone zwischen grob gesprochen 29.000 und 41.000 USD. Von einer Beruhigung kann bislang aber nicht die Rede sein. Unterm Strich stehen seit Jahresanfang eine turbulente Berg- und Talfahrt sowie ein kleines Plus von ca. 20%.
Angesichts der starken Kursrückgänge fragen sich Krypto-Investoren in diesen Tagen, ob der Sektor bereits seit fast sieben Wochen in einem neuen „Krypto-Winter“ steckt oder ob der brachiale Rücksetzer der letzten Wochen vielleicht doch nur eine gesunde Bereinigung gewesen ist, die mittelfristig das Fundament für deutlich höhere Kurse geschaffen hat.
2. Chartanalyse Bitcoin in US-Dollar
Bitcoin in USD, Wochenchart vom 23.Juni 2021. Quelle: Tradingview
Auf dem Wochenchart ist der Bitcoin zum Wochenauftakt vorübergehend aus seinem großen Aufwärtstrendkanal nach unten durchgerutscht. Durch die starke Erholung in den letzten 24 Stunden gelang allerdings die Rückkehr in diesen Trendkanal. Sollten die Bullen diesen steilen Trendkanal tatsächlich verteidigen können, wären Kursen unterhalb von 30.000 USD zukünftig nicht mehr zu sehen. Aufgrund der heftigen Korrektur in den letzten Wochen ist der Stochastik-Oszillator klar überverkauft und würde nun einer deutlichen Erholung mehr als genügend Raum bieten.
Insgesamt läuft der Bitcoin auf seinem Wochenchart seit einigen Wochen volatil zwischen 29.000 USD und 41.000 USD seitwärts. Ganz übergeordnet ist der Aufwärtstrend noch intakt, so dass im Zweifel die Bullen nun zumindest eine größere Erholung proben werden.
Bitcoin in USD, Tageschart vom 23.Juni 2021. Quelle: Tradingview
Auf dem Tageschart gelang es dem Bitcoin in den letzten Wochen nicht, die verlorengegangene exponentielle 200-Tagelinie (40.506 USD) zurückzuerobern. Als der letzte Versuch am 15.Juni scheiterte, setzten die Bären direkt zum Konter an. Durch diesen heftigen Kursrutsch in der Größenordnung von 11.000 USD innerhalb von nur acht Tagen könnten sich die Machtverhältnisse nun wieder zugunsten der Bullen verschoben haben. Dabei ist die Stochastik allerdings noch nicht überverkauft. Trotzdem lässt der lange Docht der gestrigen Tageskerze auf eine Trendwende schließen.
Zusammengefasst ist der Tageschart noch im kurzfristigen Abwärtstrend und damit eigentlich bärisch. Die zügige Erholung von über 5.000 USD in gerade mal 24 Stunden macht aber einen impulsiven Eindruck und lässt uns daher den Tageschart mit bullisch bewerten. Mit den Fibonacchi-Retracements lassen sich zwei realistische Erholungsziele zwischen 40.000 USD und 42.000 USD sowie zwischen 49.000 und 51.000 USD definieren. Ob die Kraft der Bullen direkt bis zum zweiten Ziel ausreichen wird, lässt sich momentan allerdings noch nicht sagen.
3. Sentiment Bitcoin
Bitcoin Optix vom 23.06.2021. Quelle: Sentimentrader
Die kurzfristigen Sentiment-Daten für den Bitcoin haben gestern erneut die Panik-Zone erreicht und konnten im Anschluss dynamisch nach oben drehen.
Crypto Fear & Greed Index vom 23.06.2021. Quelle: Crypto Fear & Greed Index
Das deutlich komplexere und eher langfristig ausgelegte Sentiment-Modell von Alternative.me meldet schon seit Wochen extreme Angstzustände im Krypto-Setor. Zum Wochenauftakt verzeichnete das Modell selten gesehene Tiefststände um 10. Die Panik im Sektor hat also einen absoluten Extremwert erreicht.
Crypto Fear & Greed Index langfristig vom 21.06.2021. Quelle: Sentimentrader
Im großen Bild ist die Stimmung am Boden.
Insgesamt liefert die quantitative Sentiment-Analyse damit in der Summe klar antizyklische Kaufsignale. Natürlich kann die Stimmung noch weiter in den Keller fallen, aber eine antizyklische Einstiegschance sieht genauso wie aktuell aus!
4. Saisonalität Bitcoin
Bitcoin Saisonalität. Quelle: Seasonax
Statistisch betrachtet endet die seitwärtsverlaufende Frühlingsphase beim Bitcoin Anfang Mai. Im Anschluss folgte oft eine scharfe Rally bis in den Juni hinein. Allerdings erreichte der Bitcoin in diesem Jahr erst am 14.Apil einen wichtigen Hochpunkt und konsolidiert seitdem. Das saisonale Muster passt also nicht so wirklich mit dem bisherigen Kursverlauf in diesem Handelsjahr zusammen.
In der Konklusion wechselt die Saisonalität in diesen Tagen grundsätzlich von neutral auf grün. Der bisherige Jahresverlauf verlief allerdings nicht so ganz gemäß mit dem saisonalen Muster.
5. Bitcoin gegen Gold
Bitcoin/Gold-Ratio vom 23.06.2021. Quelle: Tradingview
Bei Kursen von ca. 34.000 USD für einen Bitcoin und 1.780 USD für eine Feinunze Gold liegt das Bitcoin/Gold-Ratio aktuell bei 19,1. D.h. man muss für einen Bitcoin derzeit etwas mehr als 19 Unzen Gold bezahlen. Andersherum gesagt kostet eine Feinunze Gold aktuell ca. 0,052 Bitcoin. Im Vergleich zu den Höchstkursen im März und April hatte der Bitcoin zunächst über 56% gegen Gold verloren. In den letzten Wochen konsolidiert das Bitcoin/Gold-Ratio allerdings seitwärts. Der Blick auf die stark überverkauft Stochastik lässt auf Sicht der kommenden Monate momentan eigentlich eher eine Erholung zugunsten des Bitcoins vermuten. Die Schwierigkeit ist allerdings, dass sich jede Bewegung beim Bitcoin aufgrund der größeren Zahl wesentlich stärker auswirkt als andersherum.
Grundsätzlich sollte man sowohl in Edelmetallen als auch in Bitcoins investiert sein. D.h. mindestens 10% und besser 25% seines Gesamtvermögens sollte man in physische Edelmetalle anlegen, während man in Kryptos und vor allem im Bitcoin zunächst wenigstens 1% bis 5% halten sollte. Wer sich mit den Kryptowährungen und Bitcoin sehr gut auskennt und das Potenzial erkannt hat, kann individuell sicherlich bei größeren Rücksetzern auch deutlich höhere Prozentzahlen in Bitcoin allokieren. Für den normalen Anleger, der natürlich vor allem in Aktien und Immobilien investiert ist, sind maximal 5% im immer noch spekulativen und vor allem hochvolatilen Bitcoin aber ein guter Richtwert.
6. Makro-Update und Crack-Up-Boom
© Holger Zschaepitz via Twitter am 22.Juni 2021
Die EZB weitete ihre Bilanz erneut um 35,6 Mrd. EUR aus, so dass die Gesamtaktiva in der vergangenen Woche mit 7.736,5 Mrd. EUR mal wieder auf ein neues Allzeithoch vorgeprescht sind. Die EZB-Bilanzsumme entspricht nun 77,7% des BIP der Eurozone.
Nachdem die FED auf der anderen Seite des Atlantiks allerdings in der letzten Woche erwähnte, dass man in zwei Jahren plant, die Zinsen anzuheben, kam es insbesondere an den Rohstoff- und Edelmetallmärkten aufgrund eines stärkeren US-Dollars zu einem deutlichen Rücksetzer. Auch die Krypto-Märkte rutschten in der Folge nochmals deutlich ab.
Dabei ist es eigentlich ein schlechter Witz, dass die Finanzmärkte vor einer möglichen US-Zinserhöhung in 2023 zittern. Das weltweite Finanz-Schauspiel ist allerdings mittlerweile völlig abhängig von den Notenbanken. Diese nutzen ihre nie dagewesene Machtfülle und treiben ihre massenpsychologischen Spielchen. Bislang ist das in den vergangenen Jahrzehnten immer irgendwie gut gegangen. Dass sich dabei die benötigen Rettungssummen seit dem ersten harten Eingriff 1998 (Long-Term Capital Management Krise) in den letzten 23 Jahren stetig weiter aufgeschaukelt haben, wird nur als Randnotiz vermerkt. Aktuell werden nicht mehr Million und Milliarden zur Rettung benötigt, sondern Billion und bald vermutlich sogar Billiarden.
Ein wirklich freier Finanzmarkt hingegen hätte schon längst zahlreiche unrentable Geschäftsmodelle beerdigt und die Zinsen vermutlich weltweit in zweistellige Höhen getrieben. Aber das darf und kann unter gar keinen Umständen mehr zugelassen werden, da die Fallhöhe zu hoch geworden ist und bei der überfälligen Bereinigung schnell die öffentliche Ordnung in Gefahr geraten könnte. Es wird daher also einfach weitergemacht. Solange wie es halt irgendwie geht.
© Holger Zschaepitz via Twitter am 23.Juni 2021
Die Folge ist ein um sich greifender Crack-Up-Boom bei dem alles aufgrund der Geldmengenausweitung teurer wird. So steigen beispielsweise die US-Hauspreise seit Jahren parallel zur Ausweitung der US-Geldmenge an. Erst kürzlich wurde im Tandem ein neues Allzeithoch erreicht.
© Incrementum AG 2021 und Crescant Capital
Im großen Bild dürfte der aktuelle Rücksetzer bei den Rohstoffen, Edelmetallen und Krypto-Währungen daher nur eine kleine Delle darstellen. Schon bald wird die FED ihre Zins-Aussagen zurückrudern müssen. Sonst bekommt der Immobilienmarkt in den USA schnell kalte Füße. Eine Abkehr von der ständigen Ausweitung der Währungsmenge war sowieso nicht verkündet worden.
Da das weltweite Wirtschaftswachstum auf äußerst wackeligen Füßen steht und nur mit Hilfe der weltweiten Notenbankakrobatik künstlich erzeugt wurde, gibt es kein Entrinnen aus der Abwertungspolitik. Alle Notenbank stehen dabei im Wettbewerb miteinander, wodurch Millionen von Anlegern in allen Ländern dieser Erde zur Flucht in Sachwerte (auch außerhalb des Fiat-Systems) gezwungen werden. Diese Fluchtbewegung wird sich erst noch richtig beschleunigen. Kurzfristig ist man aber ganz gut beraten, vorsichtig und abwartend zu handeln, denn noch liegen keine klaren Anzeichen für das Ende des vorübergehenden „Risk-Off Modus“ vor.
Fazit: Erste antizyklische Kaufchancen im Krypto-Sektor
Die negative Berichterstattung über Bitcoin und Ethereum erreichte zum Wochenauftakt einen absurden Höhepunkt. Natürlich war der Rücksetzer in den letzten Wochen hart und tief. Aber das war im hochvolatilen Krypto-Sektor ja schon immer so. Die meisten schwachen Hände dürften bei dem 56%-Rücksetzer zunächst mal abgeworfen worden sein. Die extrem hohe Panik (abzulesen an den Sentiment-Daten) deutet nun eindeutig auf einen Wendepunkt hin.
Vermutlich hat die Erholungsbewegung bereits am Montagnachmittag mit dem Tief bei 29.250 USD begonnen. Mögliche Erholungsziele auf Sicht der kommenden Monate liegen zunächst um 40.000 USD bis 42.000 USD sowie bei 49.000 bis 51.000 USD.
Je nachdem wie sich der Bitcoin an diesen Marken verhalten wird, lässt sich dann besser einschätzen, ob die Korrektur insgesamt schon ausgestanden ist oder ob es noch zu einer weiteren Abwärtswelle kommen muss. Im schlechtesten Fall wartet nämlich noch ein offenes Gap im Bitcoin-Future im Bereich um 24.000 bis 26.500 USD. So wie sich die Lage aktuell allerdings präsentiert, könnte hingegen das Gap auf der Oberseite im Bereich 46.650 bis 49.100 USD zuerst geschlossen werden.
Florian Grummes
Edelmetall- und Krypto-Experte
Autor: celticgold.eu