1. Rückblick
Der Goldpreis hat es den Anlegern in den letzten Monaten nicht einfach gemacht. Ende Mai sah noch fast alles nach einem unmittelbaren Durchmarsch bis auf zumindest 1.950 USD aus. Stattdessen jedoch brachen die Notierungen ab Mitte Juni schnell und heftig bis auf 1.750 USD ein. Die Gegenbewegung von diesem Tiefpunkt zog sich zäh fast sechs Wochen in die Länge und brachte den Goldpreis insgesamt dreimal bis an die Widerstandszone um 1.830 bis 1.835 USD. Hier gab es jedoch kein Durchkommen.
Damit kippte das Bild erneut und der Goldpreis verlor ab dem 4.August plötzlich aus dem Stand heraus den Boden unter den Füßen. So rutschten die Notierungen innerhalb von nur vier Handelstagen um über 150 US-Dollar bis auf 1.677 US-Dollar in die Tiefe. Dass dabei eine unsichtbare Hand mit hohen unlimitierten Verkaufsorders am Papiergoldmarkt z.B. direkt zur volumenarmen Handelseröffnung in Asien nachgeholfen hat, ist bekannt. Damit wurde (wieder einmal) die Masse der gehebelten Goldspekulanten vernichtet.
Gleichzeitig wurde der Goldmarkt aber mit diesem fragwürdigen Flash-Crash komplett von den schwachen Händen bereinigt, und so kennt der Goldpreis seit drei Wochen im Grunde genommen nur den Weg nach oben. Die Notierungen haben sich mittlerweile nicht nur deutlich erholt, sondern Gold handelt mit Kursen um 1.815 USD fast 150 USD über dem Flash-Crash-Tief vom 9.August.
2. Chartanalyse Gold in US-Dollar
2.1. Wochenchart: Dritter Test der Unterstützung bei 1.676 USD erfolgreich
Gold in US-Dollar, Wochenchart vom 31.August 2021. Quelle: Tradingview
Zum dritten Mal hat der Goldpreis die Marke von 1.676 USD am 9.August auf Unterstützung getestet. Erneut kam es hier zu einer deutlichen Umkehr nach oben. Dieses Mal sogar dermaßen stark, dass auf dem Wochenchart eine riesige Hammerkerze zurückblieb. Schon beim zweiten Test Ende März kamen die Käufer sehr schnell wieder in den Markt. Die drei immer länger werdenden Dochte deuten auf einen klaren Nachfrageüberhang bei Kursen um und unterhalb von 1.700 USD hin. Erneut wurden die schwachen Hände hier mit einem schnellen und tückischen Kursrückgang abgeschüttelt. Allein aus dieser Perspektive ist der Wochenchart nun bullisch.
Der dritte Rücksetzer endete mit 1.677 USD zudem genau an der Oberkante des alten Aufwärtstrendkanals, in welchem der Goldpreis ab dem Dezember 2015 bis zum Frühling 2020 relativ gemächlich nach oben lief. Die Unterstützung hat gehalten, so dass sich der Goldmarkt nun wieder nach oben orientieren sollte. Hinzukommt ein klares Kaufsignal beim Stochastik-Oszillator, das noch sehr viel Platz nach oben hätte.
Entscheidend bleibt auf der Oberseite aber die rote Abwärtstrendlinie, welche durch das Allzeithoch bei 2.075 USD vom August 2020 sowie dem Hochpunkt vom 1.Juni bei 1.912 USD definiert wird. Solange der Goldpreis diese Linie nicht nachhaltig überwinden kann, bleibt der mittelfristige Abwärtstrend intakt.
ist der Wochenchart bullisch. Die Chancen stehen momentan sehr gut, dass es in den kommenden Wochen zumindest zu einem Angriff auf die Zone 1.850 bis 1.875 USD kommen wird. Im größeren Bild brauchen die Bullen einen Wochenschluss oberhalb von 1.870 USD, um das Bild weiter aufzuhellen.
2.2. Tageschart: Erneute Konsolidierung um die 200-Tagelinie
Gold in US-Dollar, Tageschart vom 31. August 2021. Quelle: Tradingview
Auf dem Tages-Chart konsolidiert der Goldpreis seit einigen Tagen um seine weiterhin leicht fallende 200-Tagelinie (1.808 USD). Nachdem die Bullen an gleicher Stelle vor knapp vier Wochen gescheitert waren und der Flash-Crash dann konsequent für eine komplette Marktbereinigung gesorgt hat, dürfte dieses Mal der Sprung über die 200-Tagelinie gelingen. Im nächsten Schritt wäre ein Anstieg bis zur roten Abwärtstrendlinie bis in den Bereich zwischen 1.850 und 1.875 USD zu erwarten. Dementgegen steht auf dem Tageschart ein überkaufter Stochastik-Oszillator, der allerdings noch keine Anstalten einer Trendwende macht. Denkbar wäre, dass sich die Stochastik hier in den bullisch eingebetteten Zustand transformieren kann und die Bullen dann den Durchmarsch nach oben zustande bringen könnten.
Zusammengefasst ist der Tageschart zwar überkauft, aber trotzdem klar bullisch. Je länger die Notierungen um die 200-Tagelinie konsolidieren, desto größer werden die Chancen auf höhere Kurse. Alternativ muss der Goldpreis nochmal einen kleinen Rücksetzer überstehen. Solange sich dieser jedoch oberhalb von ca. 1.770 USD halten kann, spricht alles für eine Fortsetzung der Sommerrally im September.
3. Terminmarktstruktur Gold
Commitments of Traders Report für den Gold-Future vom 30. August 2021. Quelle: Sentimenttrader
Die Lage am Terminmarkt bleibt durchwachsen. Weiterhin halten die kommerziellen Händler im langfristigen Vergleich eine zu hohe Shortposition. Zuletzt lag diese kumuliert bei 234.678 leerverkauften Kontrakten. Kurzfristig kam es aufgrund des scharfen Rücksetzers zwar zu einer kleinen Bereinigung, mittel- und langfristig ist diese Entwicklung aber wenig aussagekräftig.
Zusammengefasst liefert der CoT-Report auch weiterhin kein antizyklisches Kaufsignal, sondern bleibt neutral bis leicht negativ.
4. Sentiment Gold
Sentiment Optix für Gold. Stand 30. August 2021. Quelle: Sentimenttrader
Der deutliche Preisrückgang im Juni sorgte für ein kleines Stimmungstief am Goldmarkt. Extreme Panikwerte wurden aber genauso wenig wie im März gesehen. Aktuell ist das Sentiment eher neutral und steht einer Fortsetzung der verspäteten Sommer-Rally nicht im Weg.
Das Sentiment bewegt sich momentan in Richtung „steigendem Optimismus“. Die scharfen Rücksetzer im Juni und August dürften genügend Anleger verschreckt haben, so dass die Überraschungen zunächst weiter auf der Oberseite warten dürften.
5. Saisonalität Gold
Saisonalität für den Goldpreis über die letzten 53 Jahre. Stand 30. August 2021. Quelle: Seasonax
Die saisonale Komponente liefert eigentlich schon seit Anfang Juli ein grünes Licht für den Goldpreis. In diesem Jahr kam das finale Sommertief jedoch erst am 9.August zustande. Seitdem läuft die etwas verspätete Sommerrally. Statistisch betrachtet hätte diese nun zumindest bis in den Oktober hinein Zeit sich auszubreiten. Gelegentlich starteten im August auch große Aufwärtswellen, die bis in das Frühjahr des nächsten Jahres hinein reichten.
Die Saisonalität liefert aktuell ein klares Kaufsignal für den Goldpreis.
6. Makro-Update und Crack-Up-Boom
FED Bilanzsumme vom 18.August 2021 ©Holger Zschaepitz
Die Bilanzsumme der US-Notenbank stieg zuletzt innerhalb von nur einer Woche um weitere 85,4 Mrd. USD auf einen neuen Rekordwert von 8,34 Bio. USD an.
EZB Bilanzsumme vom 20.August 2021 ©Holger Zschaepitz
Ebenso stieg die EZB-Bilanz um weitere 16,8 Mrd. Euro auf ein neues Allzeithoch von 8.052,8 Mrd. Euro an. Die EZB-Bilanz entspricht nun 78,3 % des BIP der Eurozone gegenüber 36,7 % bei der Fed sowie 38,5 % bei der Bank of England und 132,6 % bei der Bank of Japan.
Inflationsrate in Deutschland vom 30.August 2021 ©Holger Zschaepitz
Mit 3,9% stieg die Inflationsrate in Deutschland im August auf den höchsten Stand seit 1993. Insbesondere die Energiepreise ziehen schon seit Monaten überdurchschnittlich an. So mussten Verbraucher fürs Heizen und Tanken nach Berechnungen des Bundesamtes 12,6% mehr bezahlen als noch ein Jahr zuvor. Auch Nahrungsmittel verteuerten sich im August im Jahresvergleich um 4,6 Prozent.
EZB Bilanzsumme gegen Inflationsrate in der Eurozone vom 31.August 2021 ©Holger Zschaepitz
Kurz vor der nächsten EZB-Sitzung erreicht die Inflation auch in der Eurozone mit 3% ein neues 10-Jahres-Hoch. Schon im Juli waren die Preise um 2,2% gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Obwohl die Europäische Zentralbank eigentlich für stabile Preise im Euroraum sorgen sollte, wird die Bilanzsumme stattdessen ständig ausgeweitet. An ein moderates Über- oder Unterschreiten der offiziell angestrebten jährlichen Teuerungsrate von 2% ist angesichts einer Geldmengenausweitung von mehr als 15% seit Jahresanfang im Euroraum nicht mehr zu denken. Vielmehr müssen wir davon ausgehen, dass schon die statistisch geschönte offizielle Inflationsrate in Deutschland bis auf ca. 5% weiter anziehen wird. Insbesondere für Sparer sind die steigenden Inflationsraten sehr bitter, denn das geparkte Geld verliert z.B. auf den mickrig verzinsten Tagesgeldkonten und erst recht auf den Sparbüchern ständig an Kaufkraft.
Nicht überraschend und auch ungeachtet der seit Monaten eher enttäuschenden Preisentwicklung bleibt die Goldnachfrage der Deutschen daher mehr als stabil. Laut Bloomberg und dem World Gold Council stieg die Nachfrage nach Barren und Münzen in der ersten Jahreshälfte sogar um 35% auf den höchsten Stand seit mindestens 2009 an. Während die Käufe auch in anderen westlichen Märkten hoch waren, investieren die Deutschen als traditionell größter Münz- und Barrenkäufer in Europa vor allem in Gold als Absicherung gegen die steigende Inflation. Die negativen Zinssätze in der Eurozone lassen die „renditelosen“ Edelmetalle schon seit Jahren immer attraktiver werden.
7. Fazit: Gold – Verspätete Sommerrally hat noch Platz
Seit dem Flash-Crash und einem Tiefstkurs bei 1.677 US-Dollar hat sich der Goldpreis in den letzten drei Wochen wieder tapfer nach oben gekämpft. Während dem US-Notenbank Symposium in Jackson Hole am vergangenen Freitag gelang auch der Sprung zurück über die 1.800 USD Marke. Kurzfristig versucht sich der Goldpreis über dieser wichtigen psychologischen Marke festzusetzen und gleichzeitig auch die 200-Tagelinie zurückzuerobern. Angesichts der überkauften Lage auf dem Tageschart könnte sich dieses Unterfangen durchaus noch etwas in die Länge ziehen.
Trotzdem dürfte es im Laufe des Septembers zu einem Ausbruch nach oben kommen, womit dann die nächste Zielzone zwischen 1.850 und 1.875 USD angesteuert werden sollte. Ob den Bullen darüber hinaus im Herbst die Kräfte ausreichen werden, um auch den Abwärtstrend zu überwinden, lässt sich momentan noch nicht eindeutig abschätzen. Der Flash-Crash hat den Goldmarkt bereinigt, so dass die Überraschung zunächst auf der Oberseite liegen sollte. Um 1.875 USD hätte sich der Goldpreis allerdings bereits um gute 200 USD vom Tief erholt, womit in jedem Fall ein Wiedersehen mit den Bären eingeplant werden muss.
In der Konklusion hat der Goldpreis in den kommenden Wochen also gute Chancen bis auf ca. 1.860 US-Dollar anzusteigen. Die dann folgende Reaktion sollte Klarheit darüber verschaffen, ob die übergeordnete Trendwende mit dem dritten Test der Marke von 1.676 USD vor drei Wochen tatsächlich eingeleitet wurde, oder ob sich die zähe 12-Monate währende Korrektur weiter fortsetzen wird.
Florian Grummes
Edelmetall- und Krypto-Experte
Autor: celticgold.eu