Seit dem letzten signifikanten Tiefpunkt am 5.Juni bei 1.670 USD konnte der Goldpreis in den letzten zwei Monaten eine fulminate Kursentwicklung aufs Parkett legen und um über 400 USD ansteigen! Dabei kam der Gold-Zug im Anschluss an die wochenlange zähe Seitwärtsphase mit dem Anstieg über 1.760 USD zunächst nur zögerlich ins Rollen.
Seit dem nachhaltigen Ausbruch über 1.800 USD kannten die Goldnotierungen aber kein Halten mehr. Alleine in den letzten drei Wochen stiegen die Kurse für eine Feinunze um über 270 USD an! Und das obwohl die Notierungen schon seit dem August 2018 (also seit fast zwei Jahren) ausgehend von 1.160 USD am Steigen sind. Dabei kam es zuletzt fast täglich zu neuen Allzeithochs. Das ehemalige Allzeithoch bei 1.920 USD stellte überhaupt keine Hürde dar. Ebenso wenig die psychologische runde Marke von 2.000 USD. Stattdessen trieben die Gold-Bullen die Notierungen direkt in unbekanntes charttechnisches Terrain und stießen bislang bis auf 2.075 USD vor.
Ebenso trumpfte auch der Silberpreis in ganz großem Stil auf und erreichte am letzten Freitag mit 29,86 USD den höchsten Stand seit dem März 2013. Damit konnte der Preis für eine Feinunze Silber seit dem “Corona-Tief” im März um sensationelle 144,5% zulegen.
Am letzten Freitag kam es im Anschluss an eine neuerliche Rekordfahrt mit neuen Höchstständen bei 2.075 USD im Tagesverlauf zu einem etwas deutlicheren Rücksetzer bis auf 2.015 USD. Trotz direkter Erholung war die Gegenbewegung zu Beginn der laufenden Handelswoche nicht mehr wirklich überzeugend, so dass der steil angestiegene Goldpreis in luftiger Höhe nun vermutlich gedreht hat und bereits unter die Marke von 2.000 USD gerutscht ist. Die Zeichen für das vorläufige Ende des Goldrausches mehren sich…
Chartanalyse Gold in US-Dollar
Quelle: Tradingview
Ohne Probleme hat der Goldpreis die beiden genannten Kursziele bei 1.800 und 1.900 USD abgearbeitet. Das alte Allzeithoch bei 1.920 USD stellte überhaupt kein Hindernis dar. Vielmehr beflügelte das lockere Überspringen die Goldbullen nochmals. Natürlich sind sowohl der Monats- als auch der Wochenchart heillos überkauft und extrem überhitzt. Statistisch betrachtet hat es der Goldmarkt zuletzt gewaltig übertrieben. Aber die aktuelle Konstellation ist doch einzigartig, schließlich gerät die gesamte Finanzwelt der letzten 50 Jahre ins Wanken. Zu glauben, dass sich die über Jahrzehnte aufgestauten Probleme einfach wegdrucken lassen, ist absurd.
Charttechnisch konnte sich der Goldpreis Mitte Juni endgültig vom mittelgrünen Aufwärtstrendkanal nach oben lösen und marschierte seitdem in dem noch steileren hellgrünen Kanal weiter nach oben. Mit dem Abverkauf am Dienstag sind die Notierungen jedoch schnell in die untere Hälfte des Trendkanals zurückgekommen. Angesichts der Übertreibung der letzten Wochen ist die Wahrscheinlichkeit für einen Rücklauf bis zur Unterkante des Trendkanals im Bereich um 1.900 USD stark gestiegen. Um 1.920 USD wartet zudem das alte Allzeithoch aus dem Jahre 2011, welches sicherlich auch nochmal angelaufen und unterboten werden wird.
Der Stochastik-Oszillator verläuft bereits seit Anfang Mai bullisch festgezurrt in der überkauften Zone. Hier hat sich extrem viel Korrekturbedarf aufgestaut. Zuletzt erreichte der Oszillator die überverkaufte Zone auf der Unterseite im Dezember 2019. Bis zu einer ähnlich überverkauften Gemengenlage auf dem Wochenchart hat der Goldmarkt nun einen langen Weg vor sich. Sollte am Freitag ein wichtiges Zwischenhoch bei 2.075 USD erreicht worden sein, müssen wir von einer längeren korrektiven Phase ausgehen, die sich durchaus bis in den November bzw. Dezember hinziehen kann. Dann allerdings würde sich eine geniale Nachkaufchance präsentieren.
Zusammengefasst ist der Wochenchart noch bullisch. Da sich die Umkehrsignale in den kürzeren Zeitfenstern jedoch zuletzt dramatisch schnell gehäuft haben, scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis auch der Wochenchart dreht. Der Goldpreis wird daher den extrem steilen Aufwärtstrendkanal der letzten Wochen wohl nicht allzu lange halten können. Ein Rücklauf an die obere Kante des mittleren Trendkanals im Bereich um 1.800 USD sollte daher mindestens eingeplant werden. Sollte die gesamte Rally der letzten zwei Jahre zumindest bis zum 38,1% Fibonacci Retracement korrigiert werden, wären in den kommenden Monaten Goldkurse im Bereich um 1.725 USD zu erwarten. Darüberhinaus wäre es auch keine Überraschung, wenn der Goldpreis den gesamten Anstieg seit dem Juni-Tief bei 1.670 USD zurücknimmt. Im Anschluss könnte der Bullenmarkt dann allerdings ausgehend von einem stark überverkauften Fundament wieder voll durchstarten und im nächsten Jahr neue Höchststände erreichen.
Quelle: Tradingview
Auf dem Tageschart hat sich am letzten Freitag eine erste klare Umkehrkerze gezeigt. Seit dem Hoch bei 2.075 USD hat der Goldpreis vorübergehend bereits 85 USD abgegeben. Dadurch verliert die Stochastik heute ihren eingebetteten superbullischen Zustand. Für die Bären ist somit alles angerichtet und der Tageschart hat jetzt jede Menge Korrekturbedarf.
Sollte der Goldpreis daher kurzfristig die erste Unterstützung bei ca. 1.980 USD nicht halten und verteidigen können, ist ein zügiger Rutsch in Richtung 1.890 – 1.920 USD zu erwarten. Als erstes Ziel wäre in diesem Bereich die Unterkante des steilen hellgrünen Aufwärtstrendkanals zu nennen. Ebenso das ehemalige Allzeithoch bei 1.920 USD.
Im zweiten Schritt, welcher aber vermutlich mehr Zeit benötigen wird, ist ein Rückfall an die Oberkante des mittleren und bereits wesentlich flacheren Aufwärtstrendkanals denkbar. Aktuell verläuft diese Oberkante bei 1.740 USD. Sie steigt aber täglich und würde Mitte September ungefähr bei 1.760 USD notieren. Leicht darüber liegt bei 1.800 USD zudem der entscheidende Widerstand, dessen Überschreiten die Übertreibung der letzten Wochen entfesselt hatte.
Als drittes Korrektur-Ziel kann das Juni-Tief bei 1.670 USD angeführt werden. Im ganz extremen Fall korrigiert der Goldpreis sogar bis zu seiner schnell steigenden 200-Tagelinie (1.648 USD). Noch ist es allerdings zu früh um sich mit derart tiefen Kurszielen genau zu beschäftigen.
Mit dem klaren Umkehrsignal am Freitag sowie dem miserablen Start in die laufende Handelswoche hat der Tageschart ein Verkaufssignal aktiviert. Insbesondere der Verlust der eingebetteten Stochastik wirkt schwer. Damit dürften jetzt die monatelang verstummten Bären zum Gegenangriff ansetzen. Da sehr viele unerfahrene Trader und Investoren in den steilen Anstieg der letzten Wochen noch auf den Goldzug aufgesprungen sind, müssen wir ein übles Blutbad antizipieren.
Terminmarktstruktur Gold
Quelle: CoT Price Charts
Die Terminmarktdaten zeigen sich trotz der explodierten Gold- und Silberpreise weiterhin sehr stabil. Insgesamt hat sich die Konstellation damit weiter verbessert. Das jahrzehntelange Spielchen der Preismanipulation über den Papiergoldmarkt scheint derzeit jedenfalls nicht mehr zu funktionieren. Wie anders ist es zu erklären, dass die kommerziellen Spieler ihre Shortpositionen nicht mehr in die stark steigenden Preise erhöhen (können)?
Quelle: Gold Charts ‘R´US
Der Hauptgrund dürfte in der deutlichen Zunahme der physischen Auslieferungswünsche zu finden sein. So kamen in der letzten Handelswoche weitere 9.047 Anträge auf physische Auslieferung hinzu. Schon jetzt liegen damit für den August-Kontrakt bereits 43.921 „Delivery Notices“ vor. Im bisherigen Rekordmonat Juni waren es insgesamt 55.102. Gleichzeitig sind die COMEX-Lagerbestände per 6. August 2020 gegenüber der Vorwoche um 171.805 Unzen auf 36,41 Mio. Unzen Gold gesunken. Ebenso haben sich die bereits zur Kundenauslieferung reservierten Goldbestände („eligible“) um 905.860 Unzen auf 20,86 Mio. Unzen reduziert.
Insgesamt scheint der Terminhandel an der COMEX weiter an Einfluss zu verlieren. Dieser Trend begann mit der physischen Goldexchange in Shanghai und wurde in diesem Jahr dank Corona mit einem heftigen Angebots- und Nachfrageschock beschleunigt. Im historischen Vergleich und unter klassischer Betrachtungsweise liefert der CoT-Report nach wie vor ein klares Verlaufssignal. Ordnet man das Ganze aber in die jetzt stark veränderte Situation ein, verliert der CoT-Report mehr und mehr an Bedeutung. Die explodierende physische Nachfrage lässt das Papierkartenhaus alt aussehen. Man möchte in diesen Wochen nicht in der Haut eines kommerziellen Leerverkäufers an der COMEX stecken.
Sentiment Gold
Quelle: Sentimenttrader
Mit den stark steigenden Goldpreisen hat natürlich auch die Euphorie im Edelmetallsektor deutlich zugenommen. Im Grunde genommen präsentiert sich die Situation heute spiegelbildlich zum August 2018. Damals prügelten die Bären die Notierungen im Hochsommer noch bis auf 1.160 USD nach unten. Die Stimmung war völlig im Keller. Angst und Aufgabestimmung regierten. Genau in diesem Umfeld begann die Rally am Goldmarkt, welche heute, fast genau zwei Jahren später, fast täglich für neue Allzeithochs sorgt und die Preise für eine Feinunze insgesamt um über 900 USD verteuert hat. Jetzt herrschen Euphorie und Kaufpanik. Die Angst etwas zu verpassen lässt die Anleger in blinder Panik und nur noch von Emotionen getrieben Gold kaufen.
Auf dieser Grundlage ermittelt das Sentiment-Barometer Optix Höchstwerte, die seit dem großen Top im Jahre 2011 nicht mehr am Goldmarkt gesehen wurden. Damit liefert das Sentiment ein klares Verkaufssignal und mahnt Antizykliker unbedingt zu Geduld und Zurückhaltung.
Saisonalität Gold
Quelle: Seasonax
Für gewöhnlich findet der Goldpreis in den Sommermonaten Juni oder Juli einen wichtigen Tiefpunkt und kann dann meist bis in den September oder gar Oktober starke Anstiege verzeichnen. In diesem Jahr wurde das Sommertief schon sehr früh am 7.Juni bei 1.670 USD erzielt. Seitdem explodierten die Goldnotierungen in noch nie gesehenem Ausmaß. Statistisch betrachtet könnte dieser Trend noch ein bis zwei Monate so weiterlaufen.
Allerdings stehen am 3.November die Präsidentschaftswahlen in den USA an. Dieses Großereignis wirft zunehmend seine Schatten voraus und dürfte die gesamte öffentliche Diskussion als auch zumindest teilweise das Geschehen an den Finanzmärkten in den kommenden Monaten stark beeinflussen. Filtert man daher nur die Jahre einer US-Präsidentschaftswahl heraus, verändert sich der saisonale Ausblick für den Goldmarkt doch erheblich. Demnach dürften die nächsten drei Monate unterm Strich eher schwierig werden und tiefere Kurse mit sich bringen. Wirklich gefährlich werden dürften dem Goldpreis vor allem aber die letzten sechs Wochen vor der US-Wahl.
Natürlich ist das Jahr 2020 schon jetzt eine absolute Ausnahmeerscheinung, so dass die Saisonalität grundsätzlich mit sehr viel Vorsicht zu genießen ist. Kurzfristig bzw. bis in den September hinein liegen aber noch minimal grüne Vorzeichen vor. Spätestens im September sollten Anleger aber unbedingt vorsichtig werden, denn mehrwöchige Abverkäufe vor den US-Wahlen haben Tradition.
Fazit und Empfehlung
© Holger Zschaepitz @Schuldensuehner, 4. August 2020
Auf die EZB und Madame Lagarde sind Verlass! Jede Woche wird die Bilanzsumme um ca. 10 bis 30 Mrd. Euro aus dem Nichts ausgeweitet. In der letzten Woche wurde mit 6.360,8 Mrd. EUR ein neues Allzeithoch erreicht. Die Gesamtaktiva stiegen um weitere 9,4 Mrd. EUR.
© Holger Zschaepitz @Schuldensuehner, 8. August 2020
Die Folgen dieser extrem lockeren Geldpolitik sind zum einen an der Marktkapitalisierung der der weltweiten Aktienmärkte abzulesen. Diese haben in der vergangenen Woche um 1,9 Bio. USD zugelegt.
© BofA Global research, 7. August 2020
Und natürlich kann man triftige Gründe für die aggressive Geldmengenausweitung anführen, denn zahlreiche Volkswirtschaften wurden durch die Corona Krise um 10 bis 27 Jahre zurückgeworfen! Das reale BIP in Italien ist beispielsweise bis auf ein Niveau von 1993 zurückgefallen. Griechenland sehen die Experten der Bank of America auf einem Niveau von 1997 und Deutschland im Bereich des BIP von 2010, während man die USA lediglich auf das 4.Quartal 2014 zurückgefallen sieht.
© Holger Zschaepitz @Schuldensuehner, 31. Juli 2020
Die negativen Folgen der aggressiven Geldpolitik sind jedoch eine Entwertung der Währungen, explodierende Schuldenberge, anziehende Lebensmittelpreise, negative Realzinsen und der zunehmende Vertrauensverlust in der Bevölkerung.
© Bloomberg, 3. August 2020
Der stark gestiegene Goldpreis sendet hier ähnlich wie ein Fieberthermometer zunehmend Warnsignale. Dabei verläuft der Kurs spiegelbildlich zur Verzinsung der 10-Jahren US Staatsanleihen, welche nun unterhalb von minus 1% rentieren.
Quelle: Gold Charts ‘R´US, 10. August 2020
Für die Goldanleger ergibt sich daraus grundsätzlich die beste aller Welten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Gold und vor allem Silber in den kommenden Jahren alle anderen Anlageklasse bis auf den Bitcoin extrem outperformen werden ist sehr hoch. Das Dow Jones/Gold-Ratio hat dabei schon im Dezember 2018 gedreht und empfiehlt seitdem Aktien zu untergewichten und Edelmetalle zu übergewichten.
Trotzdem ist das Chance/Risiko-Verhältnis im Edelmetallsektor auf Sicht der kommenden Wochen bzw. vermutlich der nächsten drei bis vier Monate nicht gerade ideal. Fulminant sind die Gold- und Silbernotierungen zuletzt nach oben gestürmt. Statistisch ist die Bewegung fast einzigartig und definitiv überzogen. Zwar liefert das desolate fundamental Umfeld täglich neue Gründe, um sein Harterspartes in die Edelmetalle zu retten, außer beim finalen Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems sind lineare Bewegung ohne Gegenbewegungen jedoch äußerst unwahrscheinlich.
So wie es momentan aussieht hat der Goldpreis am Freitag mit 2.075 USD ein vorübergehendes Top erreicht und dürfte jetzt mindestens in eine mehrwöchige, höchstwahrscheinlich aber mehrmonatige Korrektur abgleiten. Angesichts der krassen Übertreibungen sollte diese Korrektur für viele vor allem im Preis sehr schmerzlich und tief ausfallen. Die realistischen Kursziele liegen bei ca. 1.900, ca. 1.800 sowie zwischen 1.750 und 1.670. In einem starken Bullenmarkt werden oft nicht mehr als ein Drittel korrigiert und zurückgegeben. Sollte der Goldpreis daher typischerweise nur 38,1% der Aufwärtsbewegung von 1.160 USD bis auf 2.075 USD korrigieren, liegt das realistische Kursziel der Korrektur bei 1.725 USD.
Trotzdem ist die zu erwartende mehrmonatige Korrektur gesund und wird am Ende geniale Einstiegschancen liefern. Wichtig ist es aber, geduldig und besonnen zu warten und keinesfalls sein Pulver zu früh zu verschießen. Gold hat nach einer Rally von über 900 USD innerhalb von zwei Jahren jede Menge Korrekturbedarf.
Florian Grummes
Edelmetall- und Krypto-Experte
Autor: celticgold.eu