Liebe Leserin, lieber Leser, nachdem wir uns gestern schon mit der hedonischen Methode als Möglichkeit der Modifikation von Verbraucherpreisentwicklungen (oder Inflationsraten) und am Dienstag mit der Geschichte der Modifizierungen am US-Verbraucherpreisindex beschäftigt haben, möchte ich heute zu einigen weiteren trickreichen Verschleierungsmöglichkeiten der US-Statistiker kommen.
Qualitätsbereinigungen gehen so oder so auf die eine oder andere Art in die Ermittlung der Verbraucherpreisindizes ein. Einige dieser Qualitätsbereinigungen wie zum Beispiel die Berücksichtigung von Mengenveränderungen im Produkt erscheinen einleuchtender als andere. (wie zum Beispiel die hedonische Methode die nun auch in den deutschen Indizes Einzug gehalten hat – noch mal zur Erinnerung: die hedonische Methode beruht auf der Idee subjektiv den Geldwert der Eigenschaften eines Gutes zu ermitteln, wobei so erkannte (also subjektiv durch den Prüfer erkannte) Verbesserungen in der Qualität des Produkts – ich sage einmal ganz krass – inflationsmindernd berücksichtigt werden.)
Aber kommen wir nun heute zum Punkt: dem US-amerikanischen Consumer Price Index (CPI). Ich bin sicher, Sie alle haben schon davon gehört, dass gerade dieser Verbraucherpreisindex mittlerweile von den – man möchte fast sagen – aberwitzigsten Modifikationen gespickt ist. Diese Modifizierungstechniken, oder auch Optimierungen oder von mir aus auch Bereinigungen wollen wir heute auf den Grund gehen.
Die bereits abgehandelte hedonische Methode ist natürlich auch eine dieser im US-CPI genutzten Techniken. Aber es gibt ja noch mehr:
Geometrische Gewichtung
Bei der geometrischen Gewichtung geht es um die Gewichtung verschiedener Produkte im Warenkorb.
Im Grunde ist die Vorgehensweise hier folgende: Waren die teurer geworden sind werden geringer gewichtet. Waren deren Preis nicht gestiegen ist, erhalten dagegen eine höhere Gewichtung im Warenkorb.
So sieht die Begründung für diese Modifikation aus:
Hinter der geometrischen Gewichtung steht die Überlegung, dass der Konsument wenn ein Produkt teurer geworden ist, weniger von diesem Produkt kauft und dafür mehr von einem Produkt dessen Preis nicht gestiegen ist.
Einfaches Beispiel:
Wir nehmen an, Nudeln sind im Preis gestiegen, während Reis nicht teurer geworden ist. Überlegung: Konsument kauft weniger Nudeln, dafür mehr Reis. Konsequenz nach der geometrischen Gewichtung: Nudeln werden geringer gewichtet, Reis wird höher gewichtet.
Könnte ja noch ganz nett klingen, aber nur bis wir uns die Auswirkungen auf die Inflationsstatistik angesehen haben:
Die Inflationsstatistik weist keinen Anstieg aus, denn der höher gewichtete Reis ist ja im Preis eben nicht gestiegen und dass selbst wenn – und jetzt kommt der springende Punkt – Reis trotz des Nudel-Preisanstiegs immer noch teurer wäre als Nudeln.
Wenn der höher gewichtete Reis im Preis sogar noch gefallen ist, dann könnte die Statistik sogar einen Rückgang der Inflation ausweisen.
Rhetorische Frage: Erscheint das einleuchtend?! 😉
Nach der geometrischen Gewichtung schreiten wir nun mit einer weiteren lustigen Modifikationsmethode voran:
Interventionsbereinigung oder Intervention Analysis Adjustment
Bei dieser Methode kann man schlicht und ergreifend als “vorübergehend” eingestufte Preisanstiege vollkommen ausblenden. Dies schreibt das Bureau of Labor Statistics (Economic News Release, Consumer Price Summary, 18. März 2009):
Effective with the calculation of the seasonal factors for 1990, the Bureau of Labor Statistics has used an enhanced seasonal adjustment procedure called Intervention Analysis Seasonal Adjustment for some CPI series. Intervention Analysis Seasonal Adjustment allows for better estimates of seasonally adjusted data.(also die grandiose Idee kam Ihnen wie bei den anderen auch in den 90ern und sie gehen davon aus, dass ihnen die Methode dabei hilft saisonale Bereinigungen anzustellen). Extreme values and/or sharp movements which might distort the seasonal pattern are estimated and removed from the data prior to calculation of seasonal factors. (Extremwerte und/oder scharfe Bewegungen, die das Saisonmuster verzerren könnten, werden vor Berechnung von saisonal bedingten Faktoren geschätzt und entfernt.)
Nett, nicht?! Oder das hier:
For example, this procedure was used for the Motor fuel series to offset the effects of events such as damage to oil refineries from Hurricane Katrina. (Dieses Verfahren wurde zum Beispiel für die Kraftstoffreihe verwendet um die Auswirkungen durch die Schäden an den Erdölraffinerien aufgrund von Hurrikan Katrina auszugleichen.)
So viel dazu, kommen wir nun am Schluss noch zum:
Surrogatansatz
Dieser ist in meinen Augen wahrhaftig die kühnste aller Bereinigungsmethoden (bislang meine ich – noch ist ja nicht aller Tage Abend 😉 ).
Die Begründung für die Nutzung des Surrogatansatzes ist ähnlich wie bei der geometrischen Gewichtung (man geht davon aus, dass der Konsument wenn ein Produkt teurer geworden ist, schlicht und ergreifend zu einem anderen Produkt greifen wird, dessen Preis nicht so stark gestiegen ist; das teurer gewordene Produkt also substituiert).
Ganz clever ersetzt man also beim Surrogatansatz das teurer gewordene Produkt im Warenkorb, durch das Produkt dessen Preis weniger stark gestiegen ist. (Sie sehen: es geht hierbei nicht mehr nur um die Gewichtung der Produkte im Warenkorb – wie bei der geometrischen Gewichtung – sondern tatsächlich um einen Ersatz des Produkts.)
Einfaches Beispiel:
Nudeln sind also im Preis stärker gestiegen als Reis. Überlegung: Konsument kauft weniger Nudeln, dafür mehr Reis. Konsequenz aus dem Surrogatansatz: Nudeln werden aus der Berechnung herausgenommen und durch Reis ersetzt.
So einfach kann es sein, sich eine Preisstatistik in gewünschte Bahnen zu biegen. Dabei scheinen die Statistiker die einfache Definition “Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis” (lernt jeder 13jährige in der Schule) wohl schlichtweg vergessen zu haben. Denn es ist wohl eher so: wenn Nudeln im Preis tatsächlich so schnell gestiegen sind, dann liegt das in erster Linie wohl an der höheren Nachfrage nach Nudeln. Also nix mit Verbraucher isst jetzt mehr Reis!!!!
So long liebe Leser….so viel für heute zu den raffinierten Methoden der US-amerikanischen Statistiker….in der nächsten Ausgabe der Reihe werden wir dann zu den alternativen Berechungsmethoden des John Williams kommen….damit verabschiede ich mich für heute und wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende…liebe Grüße…
Ihre Miriam Kraus
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