Wichtiges Zwischenhoch erreicht?

1. Rückblick

Ausgehend vom neuen Allzeithoch bei 2.431 USD am 12.April kam es ab Mitte April zu einem größeren Rücksetzer am Goldmarkt. Dabei sorgten zwei Verkaufswellen von 2.431 USD bis auf 2.325 USD sowie von 2.419 USD bis auf 2.277 USD für deutliche Verunsicherung unter den Marktteilnehmer.

Obwohl die psychologische Marke von 2.300 USD im Zuge des Rücksetzers mehrmals nach unten durchbrochen wurde, konnten die Bären dadurch allerdings nicht weiteren Verkaufsdruck erzeugen. Stattdessen sorgte die überverkaufte Lage ausgehend vom Tief bei 2.277 USD am 3.Mai für eine Bärenfalle und im Anschluss zunächst für eine deutliche Erholung sowie am 20.Mai für ein neues Allzeithoch bei 2.450 USD. 

Damit hat sich die 154 USD starke Korrektur im April rückblickend als gesunder Rücksetzer entpuppt, obwohl es zwischenzeitlich schon nach dem Ende der seit Anfang Oktober laufenden Rally am Goldmarkt aussah.

Silber in US-Dollar, Monatschart vom 23. Mai 2024. Quelle: Tradingview

Parallel dazu hat der Silberpreis seit dem Tief bei 26 USD am 2.Mai die Führung übernommen und konnte in den letzten drei Wochen nicht nur stark ansteigen, sondern auch die seit dem August 2020 intakte Widerstandszone um 30 USD mühelos überspringen. Mit einem Zwischenhoch bei 32,49 USD erreichten die Silbernotierungen am 20.Mai den höchsten Stand seit über 11 Jahren. So lange hatten die standfesten Silberbugs auf diese Preisregionen warten müssen. 

Mit dem klaren Ausbruch über 30 USD am Silbermarkt hat sich die technische Lage grundsätzlich stark verbessert. Ungeachtet des bereits angelaufenen Rücksetzers bis auf das Ausbruchsniveau um 30 USD sollte der Silberpreis die Marke von 35 USD mittelfristig erreichen können. Auch ein direkter Durchmarsch bis zum Allzeithoch bei 50 USD ist nicht ganz auszuschließen und wäre in jedem Fall in den nächsten 6 bis 24 Monate zu erwarten. 

Obwohl die schwächelnden Konjunkturdaten sowie die enttäuschten Zinssenkungserwartungen die Finanzmärkte eigentlich ab Anfang Mai langsam aber sich belasten sollten, konnten sich bislang sowohl die Edelmetalle als auch die Aktien sowie der Bitcoin sehr gut halten. Im Crack-Up-Boom zählen nur Liquidität und Geldfluss. Und diese beiden Faktoren sind höheren Kursen offensichtlich vorerst weiterhin wohlgesonnen.

Der Rücksetzer von 2.450 USD bis auf 2.355 macht aber einmal mehr klar, dass die Aufwärtsbewegung keine Einbahnstraße ist. in den letzten drei Tagen beim Goldpreis verläuft noch im akzeptablen Bereich. Kurse unterhalb von 2.330 USD wären jedoch eine erste deutliche Bestätigung, dass am 12.Mai ein wichtiges Zwischenhoch gefunden worden wäre und sich der Goldpreis bereits in der typischen frühsommerlichen Korrekturphase eingefunden hat.

2. Chartanalyse Gold in US-Dollar

2.1 Wochenchart: Wochen-Stochastik weiterhin bullisch eingebettet
Gold in US-Dollar, Wochenchart vom 23. Mai 2024. Quelle: Tradingview

Auf dem Wochenchart bewegt sich der Goldpreis im oberen Teil des im Oktober 2022 begonnen Aufwärtstrendkanals. Der erfolgreiche Ausbruch über die Widerstandszone um 2.075 USD und der damit einhergehenden Auflösung der umgekehrten Schulter-Kopf-Schulter-Formation lassen noch immer ein erstes Kursziel im Bereich um 2.535 USD erwarten. Innerhalb des Aufwärtstrendkanals wäre dies noch in den kommenden Wochen möglich. Das obere Bollinger Band gibt bereits Kurse bis 2.484 USD frei.

Ebenso sitzt die Stochastik bullisch eingebettet noch halbwegs fest im Sattel und könnte die Notierung ebenfalls höher tragen. Eine weitere schwache Handelswoche würde jedoch zu einem Verkaufssignal führen.

Wirklich überzeugend ist das Kursgeschehen der letzten sechs Wochen allerdings nicht. Es fehlt dem Goldpreis an Durchschlagskraft und Momentum. Das neue Allzeithoch bei 2.450 USD lag gerade mal 20 USD über dem vom 12.April bei 2.431 USD. Der Aufwärtstrend ist allerdings intakt und gerät erst bei Kursen unterhalb von 2.250 USD ernsthaft in Gefahr.

Insgesamt ist der Wochenchart noch bullisch. Solange sich die Stochastik mit beiden Signallinien oberhalb von 80 halten kann, dürfte die Rally weitergehen. Dafür wäre aber eine schnelle Rückkehr über die runde Marke von 2.400 USD sehr hilfreich.

2.2 Tageschart: Tages-Stochastik mit Verkaufssignal
Gold in US-Dollar, Tageschart vom 23. Mai 2024. Quelle: Tradingview

Auf dem Tageschart brachte der Ausbruch aus der Flaggenkonsolidierung den nächsten Schub nach oben. Allerdings hat die Rally ausgehend von 2.277 USD einiges an Kraft gekostet und das neue Allzeithoch ist bislang nicht wirklich beeindruckend. 

Der überkaufte Stochastik-Oszillator konnte sich am Mittwoch nicht in den eingebetteten super bullischen Zustand transformieren, sondern aktivierte bedingt durch den Kursrutsch ein neues Verkaufssignal. Damit haben die Umkehrsignale deutlich zugenommen. Der weite Abstand zur 50-Tagelinie (2.307 USD) und insbesondere zur 200-Tagelinie (2.070 USD) müsste zudem entweder über tiefere Preise oder über die Zeit mittels seitwärts verlaufender Kurse abgebaut werden.

In der Summe ist der Tageschart leicht bärisch. Die Gefahr eines Doppeltops bei 2.431 USD und 2.450 USD ist nicht von der Hand zu weisen. Der Abstand bis zur 200-Tagelinie (2.070 USD) ist zudem nach wie vor beträchtlich und lässt deutlichen Korrekturbedarf erahnen. Vermutlich entscheidet sich das Schicksal der Rally schon in Kürze an der Unterstützungszone zwischen 2.345 USD und 2.355 USD. Hier liegt das 61,8%-Retracement der letzten Aufwärtsbewegung von 2.277 bis auf 2.450 USD. Können die Bullen diese Zone verteidigen, wäre eine Fortsetzung der Rally möglich. Gelingt die Verteidigung jedoch nicht, wäre der überkaufte Tageschart bereits auf dem Weg zur 50-Tagelinie und zum unteren Bollinger Band (2.270 USD).

3. Terminmarktstruktur Gold

Commitments of Traders Report für den Gold-Future vom 14. Mai 2024. Quelle: Sentimenttrader

Zum Schlusskurs von 2.358 USD hielten die kommerziellen Händler am 14.Mai eine kumulierte Leerverkaufsposition in Höhe von 232.110 Gold-Future-Kontrakten. Offensichtlich tun sich die Profis und Bullion-Banken schwer in den deutlichen Preisanstieg der letzten Monate ihre Short-Position deutlich auszubauen. Trotzdem bleibt unterm Strich eine klar bärische Positionierung.

Insgesamt ist der aktuelle CoT-Report negativ und steht steigenden Preisen entgegen. Angesichts der Tatsache, dass der Goldpreis mittlerweile in China gemacht wird, sprechen wir dem CoT-Report aber deutlich weniger Bedeutung zu als noch vor ein paar Jahren.

4. Sentiment Gold

Sentiment Optix für Gold vom 22. Mai 2024. Quelle: Sentimenttrader

Obwohl der Goldpreis seit Anfang Oktober 2023 deutlich um über 640 USD ansteigen konnte, liefert der Sentiment-Optix mit einem Wert von 70 bislang keine extremen Optimismus-Werte. Es fehlt weiterhin die euphorische Übertreibung. Aus dieser Perspektive könnte die Rally am Goldmarkt also direkt oder über Umwege weitergehen. 

Sentiment Optix für Silber vom 18. Mai 2024. Quelle: Sentimenttrader

Am Silbermarkt sind zuletzt jedoch extreme Euphorie-Werte abzulesen gewesen, so dass man als Antizykliker äußerst wachsam sein muss. 

In der Summe ist das Sentiment am Goldmarkt zu optimistisch. Eine stark übertriebene Euphorie ist aber nach wie vor nicht auszumachen.

5. Saisonalität Gold

Saisonalität für den Goldpreis über die letzten 15 Jahre vom 22. Mai 2024. Quelle: Seasonax

Statistisch betrachtet endete die saisonal günstige Phase für den Goldpreis bereits Mitte April. Trotzdem gelang Mitte Mai nochmal ein leicht höheres Hoch. In den letzten Tagen häufen sich aber die Umkehrsignale am Goldmarkt. Ob sich die ungünstige saisonale Komponente in diesem Jahr trotzdem noch durchsetzen wird können, werden wir natürlich erst im Nachhinein wissen. 

Grundsätzlich gilt, dass Rallyes am Goldmarkt normalerweise zwischen Ende Februar und Mitte Mai ihren Hochpunkt finden und bis in den Sommer hinein eine gesunde Korrektur erzwingen. Möglicherweise sorgt die starke Nachfrage aus China zusammen mit der instabilen geopolitischen Lage in diesem Jahr für einen anderen Ablauf. Trotzdem sollte man den saisonalen Aspekt nicht unterschätzen.

Basierend auf den letzten 15 Jahren ist die saisonale Komponente auf Sicht der kommenden zwei Monate negativ.

6. Makro-Update – Der Crack-Up-Boom müsste etwas heiße Luft ablassen

Obwohl die Gold- und Silberpreis in den letzten drei Tagen ordentlich Federn lassen mussten, werden die beiden Edelmetalle an der Börse Shanghai in China immer noch mit einem deutlichen Aufschlag gehandelt. Allerdings wurde an der Shanghai Futures Exchange die Margin für Silber zuletzt erhöht. Ebenso hat die CME in den USA die Nachschussanforderungen für den Silber-Futures um 9,5% zum 23. Mai erhöht. 

Aus der Vergangenheit wissen wir, dass Margin-Erhöhungen oft das Ende einer Rally bei den Edelmetallen einläuteten. Im Mai 2011 benötige es allerdings eine fünfmalige Erhöhung innerhalb von neun Tagen, um den damaligen Aufwärtstrend beim Silberpreis zu stoppen und eine Liquidierungswelle einzuleiten. Trotz der starken Rally beim Silberpreis in den letzten Wochen ist die Lage aktuell sicherlich nicht derartig angespannt. Beim explodierten Kupfer-Future hat die CME in den letzten fünf Tagen aber bereits dreimal die Margen erhöht.

Spannend ist nun die große Frage, ob die chinesische Goldnachfrage den angelaufenen Rücksetzer bei den Edelmetallpreisen erneut frühzeitig auffangen wird. Zwar sind die Erwartungen für den US-Leitzins Ende 2024 seit Jahresbeginn um über 100 Basispunkte angestiegen, der Goldpreis zeigte sich davon bislang aber unbeeindruckt. Ebenso sorgten die Netto-Abflüsse bei den Gold-ETFs nicht für zunehmenden Druck auf die Preise. Stattdessen wurde die Gold- und Silberhausse seit Oktober primär durch Notenbankkäufe und die sehr robuste physische Nachfrage aus Indien und China getrieben. Die westlichen Finanzmarkteilnehmer hingegen reiben sich noch immer verwundert die Augen über den deutlich gestiegenen Goldpreis. Der altbekannte Drückungsmechanismus über Derivate und Futures funktionierte in den letzten Monaten an der COMEX nur selten. Ebenso wenig ist die Edelmetall-Rally bislang in den Mainstream-Medien angekommen.

Der entscheidende Faktor bleibt jedoch die immer weiter eskalierende geopolitische Lage. Bedingt durch die Sanktionen wickelt Russland fast seinen ganzen Handel mit China bereits in Renminbi und Rubel ab. Ähnlich sieht die Lage in einem wachsenden Teil Afrikas aus. Der Westen hingegen scheiterte diese Woche mit einem Putschversuch im Kongo. Vermutlich wollte man sich dort wichtige Rohstoffe zu sichern.

Insgesamt braut sich für die NATO und den Westen einiges zusammen. So lässt China derzeit mit einem großen Manöver die Säbel rasseln, denn das chinesische Militär hat anscheinend mit Übungen um ganz Taiwan, einschließlich der Inseln Kinmen und Dongyin, begonnen. Die taiwanesische Küstenwache und die chinesische Marine sollen sich derzeit sogar bereits ein Gefecht in der Straße von Taiwan liefern, während die taiwanesischen Hsiung Feng III (HF-3) Überschall-Anti-Schiffsraketen als Reaktion auf die chinesischen Übungen um Taiwan in Verteidigungsposition gebracht werden. Hier fehlt nicht viel, bevor der Funken überspringt.

Der zweite Brandherd liegt nach wie vor in der Ukraine. Hier ist der russische Vormarsch kaum noch zu stoppen, da der Ukraine der personelle Nachschub fehlt und es in Europa weder eine starke Führung noch eine nachhaltige Einigkeit darüber gibt, wie man der Ukraine wirklich helfen könnte.

Der undurchsichtige Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, der bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam, könnte in Verbindung mit dem Konflikt im Gaza-Streifen ebenfalls weitere geopolitische Verwerfungen nach sich ziehen.

Insofern kann man schon vermuten, dass die Edelmetallpreise insgesamt eher gut unterstützt sind und schon bei etwas niedrigeren Preisen neue Nachfrage in den Markt kommen könnte.

7. Fazit: Gold – Umkehrsignale nehmen zu

Seit dem 6.Oktober 2023 konnte der Goldpreis von 1.810 USD bis auf 2.450 USD deutlich ansteigen. Zwar war die Rally keine Einbahnstraße und immer wieder von Rücksetzern und Konsolidierungen unterbrochen, insgesamt steht aber doch ein beeindruckender Preisanstieg von +35,3% zu Buche. 

Der Silberpreis konnte im gleichen Zeitraum um 57,2% zulegen, die Rally kam hier aber erst ab Ende Februar richtig in die Gänge. Insbesondere ab Anfang Mai übernahmen die Silber-Bullen dann die Führung und sorgten in den letzten drei Wochen für den Ausbruch über die starke Widerstandszone um 30 USD. Da dieser Ausbruch allerdings erst sehr spät in diesem Aufwärtszyklus gelang, ist jetzt Vorsicht geboten. Typischerweise zeigt Silber ein derartiges Verhalten erst am Ende einer großen Aufwärtsbewegung im Edelmetall-Sektor und läutet damit fast immer eine Trendwende und eine Korrektur sein. 

Die letzten drei Tage deuten bereits an, dass am Montag ein wichtiges Zwischenhoch gesehen worden sein könnte. Zwar fehlt insbesondere am Goldmarkt die senkrechte Euphorie-Übertreibung als großes Finale, aber genauso gut kann man argumentieren, dass es die Gold-Bullen mit dem letzten neue Allzeithoch bei 2.450 USD nur noch einen müden und kleinen Schritt weiter geschafft haben.

Angesichts der ungünstigen saisonalen Komponenten wollen wir uns daher momentan nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und warten erstmal ab was die nächsten Tage am Goldmarkt bringen werden.

GMI Total Liquidity Index, vom 14. Mai 2024. Quelle: Global Macro Investor

Im großen Bild sollten sich die Finanzmärkte weiter im Crack-Up-Boom nach oben bewegen. Wir haben das vor fast 4 Jahren klar und deutlich kommuniziert und daran hat sich trotz der teilweise abartigen Schwankungen und hohen Volatilitäten bislang nichts geändert. Aber ähnlich wie bei einem Schnellkochtopf müssen gelegentlich immer wieder die heiße Luft bzw. der Druck abgelassen werden. Dies könnte in den nächsten Wochen und Monaten in der schwächeren Sommerzeit mit Gewinnmitnahmen beginnen und dann für einen etwas schmerzvolleren Rücksetzer insbesondere bei den sehr gut gelaufenen Tech-Aktien und beim Bitcoin, aber natürlich auch bei den Edelmetallen sorgen.

Florian Grummes
Edelmetall- und Krypto-Experte
www.midastouch-consulting.com

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