Steil nach oben schoss in den letzten Wochen der Platinpreis. Er war Anfang April kurzzeitig auf 919,49 US-Dollar pro Unze zurückgefallen und ist im Juni bis auf 1.300 US-Dollar angestiegen. Insbesondere in den letzten Tagen verlief die Rallye ausgesprochen schnell und der Platinkurs ging in einen fahnenstangenartigen Anstieg über. Aktuell kostet eine Unze des Edelmetalls rund 1.245 US-Dollar
Kurzfristig ist die Kursentwicklung gewiss etwas überhitzt und damit reif für eine Korrektur. Mittel- bis langfristig könnte sich die Aufwärtsbewegung jedoch noch weiter fortsetzen, denn der Platinmarkt befindet sich in einem deutlichen Defizit. Dieser Zustand ist nicht neu, denn schon die Jahre 2023 und 2024 waren davon geprägt, dass das Angebot mit der Nachfrage nicht mithalten konnte.
Hauptnachfrager für Platin ist die Automobilindustrie
Benötigt wird Platin vor allem in der chemischen Industrie und im Fahrzeugbau als Katalysatormaterial. Als Katalysator konkurriert das Platin mit dem Schwestermetall Palladium. Beide Edelmetalle verfügen über ähnliche chemische Eigenschaften. Deshalb sind sie an vielen Stellen leicht durch das jeweils andere Edelmetall zu ersetzen. Ein solcher Austausch wird allerdings nicht über Nacht vollzogen, weil es aufwendig und damit teuer ist, die technischen Prozesse zu verändern.
Die Automobilindustrie hat deshalb lange gezögert, Palladium, das noch vor drei Jahren deutlich teurer war als Platin durch dieses zu ersetzen. Dabei hat das Platin gegenüber dem Palladium für die Industrie durchaus klare Vorteile. In den letzten fünf Jahren war Platin meist wesentlich preiswerter als Palladium. Hinzu kommt, dass es das etwas bessere Katalysatormetall ist. Konkret bedeutet dies, dass ein normaler Autokatalysator, um die gleiche Reinigungswirkung zu erzielen, etwa ein Drittel mehr Palladium als Platin benötigt.
Für das Platin spricht ebenfalls, dass es höheren Temperaturen standhalten kann als das Palladium. Aus diesem Grund hat die Autoindustrie die Katalysatoren für Fahrzeuge mit Dieselantrieb nie auf Palladium umgestellt. Dies wurde dem Platin 2017/18 zum Verhängnis, als mit dem Dieselskandal der Absatz von Dieselfahrzeugen schlagartig einbrach.
Hauptproduzent für Platin ist Südafrika
Ein großer Teil der weltweiten Palladiumproduktion stammt aus russischen Minen. Die Vorherrschaft der Russen ging zeitweise so weit, dass die Produktionszahlen für Palladium in der Sowjet-Union ein Staatsgeheimnis waren. Dieses Detailwissen ermöglichte es der russischen Führung anschließend, den Preis am Weltmarkt in die von ihr gewünschte Richtung zu lenken.
Beim Platin hat jedoch Südafrika die führende Stellung inne. Nach Berechnungen des World Platinum Investment Councils wurden im Jahr 2024 in Südafrika 4.133.000 Unzen Platin gefördert. Simbabwe steuerte weitere 512.000 Unzen zur Weltproduktion bei. In Russland wurden 677.000 Unzen und in den USA und Kanada weitere 254.000 Unzen Platin produziert.
Zusammen mit den übrigen Produktionsländern ergab dies eine Minenproduktion von 5.782.000 Unzen. Das war ein deutlicher Anstieg gegenüber den 5.615.000 Unzen, die noch im Jahr 2023 gefördert worden waren. Anders als das Silber ist das Platin viel zu wertvoll, um nach dem Gebrauch einfach auf den Müll zu wandern. Deshalb stammt ein nicht unerheblicher Teil des weltweiten Angebots immer aus dem Recycling. Er weist allerdings von Jahr zu Jahr nur sehr geringe Schwankungen auf. Wurden 2023 insgesamt 1.515.000 Unzen wiedergewonnen, waren es im Jahr 2024 mit 1.530.000 Unzen nur geringfügig mehr.
Trotz steigender Minenproduktion und mehr Recycling steigt das Defizit
Minenproduktion und Recycling stellten dem Markt 2024 insgesamt 7.311.000 Unzen Platin zur Verfügung, während es ein Jahr zuvor nur 7.130.000 Unzen gewesen waren. Trotz dieses Produktionsanstiegs konnte der Bedarf des Marktes nicht gedeckt werden, denn Industrie, Verbraucher und Anleger fragten insgesamt 8.303.000 Unzen Platin nach. Das war ein deutlich höherer Platinverbrauch als 2023. Damals wurden lediglich 8.026.000 Unzen Platin nachgefragt.
Für das laufende Jahr rechnet das Word Platinum Investment Council mit einem Rückgang der weltweiten Nachfrage auf 7.965.000 Unzen, was einem Rückgang um vier Prozent entsprechen würde. Dennoch wird für 2025 mit einem steigenden Defizit gerechnet, denn noch stärker als die Nachfrage wird die Förderung der Minen zurückgehen. Sie wird mit nur noch 5.426.000 Unzen veranschlagt, was einem Minus von sechs Prozent entspricht.
Da gleichzeitig ein Anstieg beim Recycling auf 1.573.000 Unzen erwartet wird, sinkt das gesamte Angebot wie die Nachfrage um vier Prozent. Unter dem Strich wird deshalb auch für 2025 ein Defizit erwartet, das im Bereich von 966.000 Unzen liegen soll.
Bereits 2028 könnten die Platinlager vollkommen leer sein
Die Welt wird sich also erneut auf ihre Lagerbestände stützen müssen, doch diese sind in den letzten Jahren deutlich geschrumpft. 2023 betrug der überirdische Lagerbestand noch 4.118.000 Unzen. Im Jahr 2024 schrumpfte er um 24 Prozent auf 2.126.000 Unzen. Für 2025 erwartet das Word Platinum Investment Council einen weiteren Rückgang um 31 Prozent auf nur noch 2.160.000 Unzen.
Oder anders ausgedrückt: Noch zwei Jahre mit einem Defizit in der aktuellen Größe und die weltweiten Platinlager sind annähernd erschöpft. Kein Wunder, dass der Platinpreis in diesen Tagen nur eine Richtung zu kennen scheint, nämlich die steil gen Norden.