Gold hat in diesem Jahr erneut die Nase vorn – und laut Sprott reicht die Kraft der Bewegung über kurzfristige Schwankungen hinaus. Während der S&P 500 zurückliegt, haben Gold und Goldminenaktien nicht nur 2025, sondern auch über drei, fünf und zehn Jahre hinweg besser abgeschnitten. Bemerkenswert: Diese Entwicklung erfolgte bei vergleichsweise verhaltener Anlegerbeteiligung. In einer aktuellen Einschätzung argumentiert Sprott-Portfoliomanager John Hathaway, dass die Anlageklasse trotz deutlicher Kursgewinne weiterhin moderat bewertet ist und Gold wieder einen festen Platz in strategischen Allokationen einnehmen könnte – ähnlich wie in den 1960er- und 1970er-Jahren.
Gold als Baustein der Risikostreuung
Hathaway verweist darauf, dass Gold heute eng mit dem Thema Risikodiversifikation verknüpft ist. Kurzfristige Rücksetzer nach der jüngsten Stärke seien wahrscheinlich, sollten aber als normale Marktatmung verstanden werden. Für die strategische Perspektive hält er eine feste Gold-Komponente im Portfolio für sinnvoll. Unter anderem zitiert er Morgan-Stanley-CIO Mike Wilson, der das traditionelle 60/40-Modell (Aktien/Anleihen) in Frage stellt und stattdessen eine 60/20/20-Aufteilung vorschlägt: 60 % Aktien, 20 % Anleihen, 20 % Gold. Auch von anderer Seite kommen ähnliche Überlegungen: Eine Analyse von Goldman Sachs hatte zu Jahresbeginn den Austausch eines Teils der Rentenquote durch Gold diskutiert, um die Ertragsaussichten auf Sicht von fünf Jahren zu verbessern.
Aus Sicht von Sprott ist damit weniger eine taktische Wette gemeint, sondern eine strukturelle Anpassung an ein Umfeld, in dem klassische Absicherungsbausteine wie Staatsanleihen ihre Schutzwirkung nicht in jedem Zyklus entfalten. Gold als realer Sachwert, dessen Korrelationen sich von Aktien und Anleihen unterscheiden können, rückt in solchen Phasen als Diversifikator in den Vordergrund.
Goldminenaktien: starke Entwicklung, geringe Gewichtung
Ein Schwerpunkt der Analyse liegt auf Gold bezogenen Aktien. Nach Angaben von Sprott haben Goldminen in den neun Monaten bis zum 30. September um mehr als 122 % zugelegt – gegenüber rund 47 % beim physischen Gold (Bullion) und etwa 14 % im S&P 500. Dennoch spricht Hathaway von „moderaten“ Bewertungen. Seine Begründung: Die Kapitalzuweisungen in den Sektor seien weiterhin verhalten, die größte Branchen-Benchmark, der VanEck Gold Miners ETF (GDX), habe in den vergangenen zwei Jahren netto Mittelabflüsse bei den ausstehenden Anteilen verzeichnet.
Dazu passt ein weiterer Befund: Die Marktkapitalisierung der Goldminen summiert sich laut Sprott aktuell auf rund 550 Mrd. US-Dollar – das entspricht lediglich etwa 0,43 % der weltweiten Börsenwerte. Insgesamt stellen Minenaktien (zu denen Gold-Produzenten nur einen Teil beitragen) damit den kleinsten Anteil an der globalen Marktkapitalisierung seit 1900. Das sind Indizien für eine noch geringe Sektorverankerung in Standardportfolios. Hathaway deutet aber an, dass sich die Wahrnehmung wandelt: Aus einer lange gemiedenen Nische könnten Momentum-Titel werden, sofern der positive Goldpreistrend anhält. Eine Bewertung dieser These bleibt der Marktentwicklung vorbehalten.
Silber im Aufholmodus
Neben Gold rückt Sprott auch Silber in den Blick. Das Metall hinkte über weite Strecken der vergangenen Dekade hinterher, weist aber seit Jahresbeginn eine stärkere Performance als Gold auf. Hathaway verweist auf jahrelange Angebotsdefizite, die zu einem angespannten Markt geführt hätten. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Relation zwischen beiden Edelmetallen: Mit einem Gold-zu-Silber-Verhältnis (Gold-to-Silver-Ratio) von etwa 83 liege der Wert weiterhin deutlich über dem langfristigen Durchschnitt von rund 67. Historisch betrachtet wurde ein Teil solcher Abweichungen später wieder abgebaut – ein Hinweis auf potenziellen Nachholbedarf von Silber, falls sich der übergeordnete Edelmetallzyklus fortsetzt.
Für die Aktienseite bedeutet das: Sollte Silber neue Hochs markieren – als Reaktion auf den gestiegenen Goldpreis – könnten auch Silberproduzenten zu ihren langfristigen Bewertungsdurchschnitten zurückkehren und gegenüber Goldförderern aufschließen. Diese Überlegungen knüpfen an Muster an, die in späteren Phasen früherer Edelmetall-Haussezyklen beobachtet wurden. Ob und in welchem Ausmaß sich solche Szenarien realisieren, hängt wie immer von Rahmenbedingungen ab – etwa der Entwicklung von Zinsen, Inflation, Dollar und industriegetriebener Silber-Nachfrage.
Es lassen sich aus der Sprott-Analyse unserer Ansicht nach drei Aspekte ableiten. Erstens: Gold behauptet sich nicht nur taktisch, sondern über mehrere Zeitfenster gegenüber dem breiten Aktienmarkt. Zweitens: Minenaktien zeigen über Zyklen hinweg eine Hebelwirkung auf den Goldpreis, was sowohl Chancen als auch Risiken erhöht. Drittens: Die niedrige Sektor-Gewichtung im globalen Aktienuniversum und Mittelabflüsse aus Benchmarks wie GDX deuten darauf hin, dass die jüngste Rallye bislang ohne breite Zuflüsse stattgefunden hat – und somit weiterhin Potenzial bestehen dürfte.
Fazit: Gold bleibt im Fokus. Die Kombination aus mehrjähriger Outperformance, weiterhin moderater Sektorbewertung und strukturellen Diversifikationsargumenten prägt den aktuellen Diskurs. Ob Minenaktien, Gold und Silber ihren Lauf fortsetzen, wird die Entwicklung der kommenden Quartale zeigen.