Gold bald die einzige sichere Reserve?
Ungläubig haben viele Anleger in den letzten Monaten den steigenden Goldpreis mitverfolgt. Die meisten hatten eine derart massive Rallye beim Gold nicht auf dem Radar und waren deshalb auch nicht investiert. Inzwischen wurde die Marke von 3.000 US-Dollar je Feinunze deutlich überschritten, aber Anzeichen, den Anstieg zu verlangsamen oder gar eine Korrektur einzuleiten, kann man wenn überhaupt erst nach US-Präsident Trumps „Zoll-Hammer“ erkennen.
Allein in den letzten zwölf Monaten hat der Goldkurs 50 neue Allzeithochs ausgebildet. Um eine ähnlich rasante Entwicklung zu sehen, muss man bis in die späten 1970er Jahre zurückgehen. Auch sie waren von hoher Inflation, wirtschaftlicher Schwäche und geopolitischer Unsicherheit geprägt. Einige dieser Faktoren sind auch für den heutigen Anstieg des Goldpreises mitverantwortlich.
Die Inflation ist zwar nicht mehr so hoch wie in den Monaten unmittelbar nach dem Ende der Coronazeit, doch noch immer verharrt die Kerninflation auf Niveaus, die deutlich über der Zielmarke der westlichen Notenbanken von zwei Prozent liegen. Ein rasches Ende der inflationären Entwicklung ist nicht in Sicht, denn noch immer erhöht jeder neue Euro oder US-Dollar, der von den Geschäftsbanken geschöpft wird, die Geldmenge. Steigt sie schneller als die Menge der produzierten Güter und Dienstleistungen, steigen zwangsläufig die Preise.
Kein Ende der globalen Schuldenorgie und der politischen Unsicherheit
Dass die längst überschuldeten westlichen Staaten noch weitere Kredite aufnehmen und Geld, das sie nicht haben, für höchst zweifelhafte Projekte mit beiden Händen freigiebig ausgeben, verschärft den Druck auf den Goldpreis zusätzlich. Die größten Goldkäufer sind zudem die Notenbanken. Dass ausgerechnet die Hüter des Fiat Money massiv in das älteste und verlässlichste Geld der Welt investieren, spricht Bände.
Bislang haben viele Investoren die anhaltenden Goldkäufe der Notenbanken ignoriert. Die Frage ist, wie lange sie dies noch tun werden, denn mehr als die Goldkäufe an sich sollte die Anleger stutzig machen, dass die Zentralbanken bei ihren Käufen eine auffallend geringe Preissensibilität an den Tag legen. Die Botschaft, die dem Markt damit gegeben wird, ist die, dass der Besitz von Gold wichtiger ist als die Frage, zu welchem Preis das Gold erworben wurde.
Das Gold ist eine Anlage, die frei von Gegenparteirisiken ist. Selbst die schärfsten Feinde akzeptieren es als Ausgleich für Forderungen, wenn nach einem langen und unerbittlichen Krieg ein Ausgleich gesucht wird. Da das Gold nicht ausfallen kann, ist auch die mit seinem Kauf verbundene Gefahr vergleichsweise gering. Das Wissen darum, mit dem Kauf einer Goldmünze oder eines Goldbarrens nicht viel falsch machen zu können, gewinnt gerade in Zeiten erhöhter Unsicherheit an Bedeutung, denn in diesen ist die Unsicherheit groß und guter Rat teuer.
Viele Teilnehmer an den Finanzmärkten dürften zudem das Gefühl haben, dass die geopolitischen Risiken nochmals massiv angestiegen sind, seit Donald Trump am 20. Januar zum zweiten Mal die Amtsgeschäfte des US-Präsidenten übernommen hat. Kurzfristig wird der US-Präsident seine Art, Politik zu machen, nicht ändern. Auch das wird den Goldpreis stützen und viele im Zweifel lieber das verlässliche Gold als unberechenbare US-Staatsanleihen wählen lassen.
Die massiven Goldkäufe der Notenbanken haben ihren berechtigten Grund
Mit Blick auf die Notenbanken könnte man argumentieren, dass mit Goldkäufen von über 1.200 Tonnen das Jahr 2023 das bisherige Rekordjahr war und dieses Niveau seitdem nicht mehr erreicht wurde. Eine solche Argumentation übersieht jedoch zwei wichtige Aspekte. Der Erste betrifft das Jahr 2024. In ihm kauften die Notenbanken zwar weniger Gold als im Jahr zuvor, doch der Unterschied zwischen den beiden Jahren war nicht erheblich.
So bleibt festzuhalten, dass obwohl 2024 keinen neuen Rekord bei den Goldkäufen der Notenbanken brachte, die Käufe im langjährigen Vergleich immer noch auf einem sehr hohen Niveau verharrten. Nach einer echten Trendabschwächung sieht das noch nicht aus. Vielmehr zeigen die 2024er Zahlen, dass die Bereitschaft der Notenbanken, ihre Goldbestände zu erhöhen, auch weiterhin vorhanden und für ihr Verhalten am Goldmarkt bestimmend ist.
Der zweite Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, ist der langfristige Trend. Die verstärkten Goldkäufe der Notenbanken setzten ein, als die Finanzkrise in den Jahren 2007 und 2008 das allgemeine Vertrauen in die Stabilität unseres Finanzsystems massiv erschütterte. Damals begann ein Prozess des Umdenkens, der zunächst zu vorsichtigen und schließlich zu immer entschiedeneren Goldkäufen geführt hat.
Das Motiv der Notenbanken, Gold zu kaufen, ist ein anderes
Gold bietet zwar einen probaten Schutz sowohl gegen die Inflation wie auch vor geopolitischen Spannungen. Doch das bedeutet nicht, dass für alle Käufer beim Goldkauf die gleichen Motive bestimmend sind. Für die meisten privaten Anleger dürfte der Aspekt des Inflationsschutzes im Vordergrund stehen. Dass das Gold auch in Zeiten verschärfter internationaler Krisen Schutz bietet, ist eine zusätzliche Stärke, die man beim Kauf gerne mitnimmt. Sie dürfte für die meisten Kleinanleger jedoch nicht das primäre Kaufmotiv sein.
Bei den großen, international anlegenden Investoren dürfte die geopolitische Schutzfunktion im Vergleich zu den Privatanlegern schon eine wesentlich größere Bedeutung haben. Noch stärker im Vordergrund steht diese Schutzfunktion, wenn Notenbanken agieren, denn sie verwalten das Vermögen und die Reserven der jeweiligen Staaten, die sie tragen.
Wie gefährdet diese Reserven unter Umständen sein können, haben die zahlreichen internationalen Krisen immer wieder gezeigt. Im Konflikt mit den USA wurde der Regierung von Venezuela schon vor Jahren untersagt, über ihr in London gelagertes Gold zu verfügen. Damit wurde deutlich, dass im Ausland gelagerte Vermögenswerte im Zweifel nicht viel wert sind, wenn man selbst auf sie keinen Zugriff hat.
Der Krieg in der Ukraine hat ein Umdenken eingeleitet
Der Krieg in der Ukraine und die von den westlichen Staaten anschließend verhängten Sanktionen haben nicht nur im Ausland gelagertes Gold, sondern auch die von ausländischen Gläubigern gehaltenen Staatsanleihen in den Fokus gerückt und gezeigt, wie gefährdet diese unter Umständen sein können.
Da die Devisenreserven zumeist in Form von Staatsanleihen gehalten werden, wurde nach dem 24. Februar 2022 nicht nur Russland, sondern auch jedem anderen Land sofort klar, dass diese Reserven im Zweifelsfall verloren sein können, wenn man auf sie keinen Zugriff mehr hat. An dieser Stelle dürften viele Notenbanker höchst beunruhigt aus ihrer vermeintlichen Sicherheit aufgewacht sein, denn in den Bilanzen der Zentralbanken nehmen die Devisenreserven den mit Abstand größten Posten ein.
Dass hier sofort Abhilfe geschaffen werden musste und noch immer geschaffen werden muss, liegt auf der Hand. Auch wenn unsere Welt ab morgen wieder vollkommen friedlich werden würde und sich alle Länder bestens verstehen, so dürfte doch jedem klar geworden sein, dass hier eine offene Flanke besteht, die sich kein Staat der Welt dauerhaft leisten kann.
Wird Gold, das im eigenen Besitz verwahrt wird, bald zur einzigen noch sicheren Reserve?
Die Eile, mit der die Notenbanken seit Februar 2022 agieren, hat daher ihre Gründe: Es gilt nicht nur, die offene Flanke schnell zu schießen, sondern es gilt angesichts der Begrenztheit von Gold auch, schnell zu sein. Denn Gold, das die anderen erworben haben, kann man selbst nicht mehr kaufen.
Von daher ist anzunehmen, dass der Trend, der seit der Finanzkrise zu beobachten ist und der in den letzten zwei Jahren massiv an Fahrt aufgenommen hat, nicht abrupt enden wird. Er kommt erst dann an sein „natürliches“ Ende, wenn die Reserven der meisten Notenbanken überwiegend aus Gold, das im eigenen Land verwahrt wird, und nicht aus Devisen besteht. Bis dieser Punkt erreicht ist, muss von den Zentralbanken allerdings noch sehr viel Gold erworben werden.