Die Australia and New Zealand Banking Group, kurz ANZ-Group, ist eines der größten Finanzinstitute im asiatisch-pazifischen Raum. Gegründet vor über 180 Jahren ist die Bank heute in 33 Märkten tätig und verfügt durch ihre Aktivitäten in ganz Asien über einen sehr guten Marktüberblick, insbesondere im Bereich der Edelmetalle. Aufmerksamkeit erregte die Bank kürzlich mit der Einschätzung, das in London ein „zunehmendes Risiko“ für einen Silber-Short-Squeeze besteht.
Da nur wenige Institute so präzise und zeitnahe Analysen zur asiatischen Gold- und Silbernachfrage liefern können und die ANZ-Gruppe gleichzeitig in ihrer Einschätzung als neutral und gewissenhaft wahrgenommen wird, fand der Bericht vom 18. März 2025 weltweit viel Aufmerksamkeit. Aus ihm geht hervor, dass die Knappheit an verfügbarem Silber real ist und damit beachtet werden sollte.
Die Analysten der Australia and New Zealand Banking Group sind der Meinung, dass das Silber im Vergleich zum Gold weiterhin unterbewertet ist. Dies geschieht zu einer Zeit, in welcher der Londoner Markt mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen hat und die USA Schwierigkeiten haben, eine angemessene Versorgung mit Silber sicherzustellen. Für den Silberpreis sind diese Faktoren nicht unerheblich. Deshalb rechnet die Bank kurzfristig mit einer Handelsspanne, die auf 34 bis 36 US-Dollar pro Unze ansteigen wird.
Löst das in London fehlende Silber einen Short-Squeeze aus?
Mit Sorge blicken die Analysten auf den Silbermarkt in London. „Darüber hinaus steigt das Risiko eines Short-Squeezes, da die Swap-Dealer-Positionen so hoch wie seit 2020 nicht mehr netto short sind. Wir glauben, dass diese Entwicklungen Silber anfällig für einen Preisanstieg machen werden“, schrieb die Bank in ihrem Bericht vom 18. März und spiegelt damit die Probleme wider, mit denen die Londoner Metallbörse momentan zu kämpfen hat.
An der Metallbörse ist es zu einer historischen Angebotsstörung gekommen. Die Silberbestände sind stark zurückgegangen. Dies führte zu höheren Kreditkosten und einer geringeren Verfügbarkeit von frei handelbarem Metall. Die Silberbestände der London Bullion Market Association (LBMA) haben inzwischen ein Mehrjahrestief erreicht, was die Sorge um das verfügbare Angebot weiter verstärkt.
Aus Angst vor neuen Zöllen in den USA wurde in diesem Jahr sehr viel Silber von London nach New York verlagert. Die Silberbestände in den Tresoren der LBMA sind seit November 2024 um 128 Millionen Unzen auf nur noch 722 Millionen Unzen gesunken, während die Bestände an der New Yorker Comex um 101 Millionen Unzen auf 441 Millionen Unzen gestiegen sind.
„Niedrige Lagerbestände bei der LBMA lassen einen Rückgang der frei verfügbaren Silberbestände befürchten.“
Weiter verschärft wird die Gefahr eines Engpasses durch die Swap-Händler. Sie halten ihre größte Netto-Short-Position seit dem Jahr 2020, wodurch das Risiko eines Short Squeeze nochmals erhöht wird. „Niedrige Lagerbestände bei der LBMA lassen einen Rückgang der frei verfügbaren Silberbestände befürchten“, schreiben deshalb die Analysten der ANZ-Group in ihrem Bericht von Mitte März.
Auf den ersten Blick mag es so aussehen, als würden die USA davon profitieren, dass derzeit sehr viel Silber aus London ins Land kommt. Doch da nur 30% des amerikanischen Silberbedarfs innerhalb der USA gefördert werden, ist die Industrie des Landes zwingend darauf angewiesen, dass auch weiterhin genügend Silber in die USA eingeführt wird.
Zwar liegt mit Mexiko, dem größten Silberproduzenten der Welt, die Lösung des Problems quasi direkt vor der Haustüre, doch da US-Präsident Donald Trump Mexiko bereits gleich nach Amtsantritt mit neuen Zöllen gedroht hat, bevorzugen die meisten Marktteilnehmer derzeit Einfuhren aus London.
Die eigene Förderung reicht nicht aus, um den Silberbedarf der USA zu decken
Sich selbst quasi am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen kann das Land nicht, denn die Produktion der Silberminen ist in den USA in den vergangenen Jahren stetig weiter zurückgegangen. Lag die Silberförderung im Jahr 2014 noch bei 38 Millionen Unzen produzierten die Vereinigten Staaten 2023 lediglich noch 32 Millionen Unzen Silber. Auch das Aufkommen an Recyclingsilber ging in den letzten zehn Jahren um ein Prozent zurück.
Die benötigten Silberimporte kamen bislang aus Mexiko und Kanada. Doch an beiden Grenzen will Donald Trump mit neuen Zöllen alte Probleme wie beispielsweise die Einwanderungsproblematik lösen. Die Australia and New Zealand Banking Group erwartet deshalb, dass es den USA nicht möglich sein wird, ihre bisherigen Silbereinfuhren aus Mexiko und Kanada kurzfristig durch Importe aus Peru oder Chile zu ersetzen, sollten die von Donald Trump angekündigten Einfuhrzölle gegenüber Kanada und Mexiko dauerhaft Bestand haben.
„Wir glauben, dass dies die effektiven Importkosten in absehbarer hoch halten wird“, bemerken die Analysten der ANZ-Gruppe deshalb wenig zuversichtlich. Das Institut schätzt, dass die Angebots-Nachfrage-Lücke in den USA weiterhin bei 190 Millionen Unzen liegen wird. Das entspricht rund einem Fünftel des weltweiten Silberangebots. Die starke Nachfrage nach Silber aus Sektoren wie 5G, künstliche Intelligenz, Elektrofahrzeuge und Photovoltaik wird weiterhin hoch bleiben und damit auf den Preis unterstützend wirken. Gleichzeitig profitiert die Investitionsnachfrage nach Silber von strafferen Fundamentaldaten und einer Lockerung der Geldpolitik.
Der Mangel an primären Silberminen wirkt sich zunehmend negativ aus
„Das Marktdefizit für Silber wird wahrscheinlich das fünfte Jahr in Folge anhalten“, schätzt die ANZ-Bank. Obwohl das Silberdefizit damit alles andere als ein vorübergehender Faktor ist, wird die weltweite Silberproduktion in diesem Jahr um lediglich zwei Prozent auf 844 Millionen Unzen ansteigen. Zurückzuführen ist dies auf die anhaltend schwache Bedeutung der primären Silberminen.
Dieses Problem ist ebenso alt wie ungelöst. Seit Jahrzehnten bereits kommen lediglich 25 bis 30 Prozent der jährlichen Silberförderung aus Minen, in denen das Silber das Hauptprodukt darstellt und damit im Fokus des Interesses des Managements steht. Für die anderen Bergbauunternehmen – und sie sind an dieser Stelle die erdrückende Masse – ist das Silber lediglich ein Beiprodukt.
Natürlich freut man sich auch hier über steigende Silberpreise. Doch niemand wird in diesen Konzernen auf die Idee kommen, die eigene Produktion hochzufahren, weil mit dem nebenbei geförderten Silber mehr Geld verdient werden kann. Erhöht wird die Produktion deshalb nur dann, wenn die Nachfrage nach den jeweiligen Hauptprodukt beispielsweise Blei, Zink aber auch Gold und Kupfer deutlich ansteigt und zu höheren Einnahmen führt.
Sind die Käufe von Silbermünzen und Barren der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen wird?
Da die Preisentwicklung des Silbers in den letzten 15 Jahren eher enttäuschend war, wurde nur das Nötigste in den Ausbau der bestehenden Minen und die Exploration neuer Vorkommen investiert. Als negative Folge dieser Entwicklung sind heute auch die primären Silberminen nicht in der Lage, das Angebot an Silber kurzfristig zu erhöhen. Das Angebotswachstum wird deshalb bis über 2027 hinaus begrenzt bleiben. Mehr noch: Metal Focus schätzt, dass das weltweite Minenangebot im Jahr 2027 mit 856 Millionen Unzen Silber seinen Höhepunkt erreichen wird. Das bedeutet, dass der Silbermarkt auf Jahre hinaus ein enger Markt blieben wird.
Wie eng, das entscheiden jedoch die Investoren. Ihre Nachfrage nach physischem Silber in Form von Münzen und Barren zu Anlagezwecken wird nicht nur darüber entscheiden, ob die Silberpreise mit dem jüngsten Anstieg von Gold Schritt halten können. Sie bestimmt auch darüber, ob ein Mangel an Silber sich an den Future-Märkten zu einem handfesten Short Squeeze ausweiten kann. Dies ist sehr leicht möglich, wenn ein hohes industrielles Defizit mit einer massiven Nachfrage nach physischem Silber durch die Investoren zeitlich zusammentrifft.
In den letzten Jahren war die Nachfrage nach Silber als Anlageprodukt schwach. Für 2025 wird zwar wieder ein Anstieg erwartet, dieser vollzieht sich jedoch von einem sehr niedrigen Niveau aus. Eine Rückkehr zu den früher erreichten Niveaus könnte die Lage am Silbermarkt schnell dramatisch verschärfen.
Bei Goldinvest.de sind wir ebenfalls schon lange überzeugt, dass der Silberpreis erhebliches Potenzial hat, weshalb wir eine Reihe interessanter Silberfirmen genau beobachten. Dazu gehören Summa Silver (WKN A2P4EE) mit gleich zwei Projekten in den USA; die erst kürzlich eine Ressourcenschätzung veröffentlichten, Silver47 Exploration (WKN A408EQ) mit einem äußerst spannenden, riesigen Projekt in Alaska, das ebenfalls bereits eine Ressource aufweist, sowie Terra Balcanica Resources (WKN A40DA5) mit dem Viogor Zanik-Projekt in Bosnien, wo man bereits hohe Silber- und Antimongehalte nachgewiesen hat – und kurz vor Aufnahme des nächsten Bohrprogramms steht. All diese Firmen sollten von anhaltend hohen Silberpreise und insbesondere einem weiteren Anstieg des Edelmetalls überproportional profitieren können. Wir werden berichten!