Die in Hamburg ansässige Aurubis AG, Europas größte Kupferschmelze, hebt für 2026 die Aufschläge („Premiums“) auf Raffinadekupfer für europäische Abnehmer auf 315 US-Dollar pro Tonne an – ein Rekordwert. Die Prämie liegt damit 38 % über dem Niveau von 228 US-Dollar, das Aurubis 2025 und in den beiden Vorjahren berechnet hatte.
Die Prämie wird zusätzlich zum an der London Metal Exchange (LME) notierten Kupferpreis fällig und spiegelt neben Transport-, Lager- und Finanzierungskosten vor allem die Knappheit des verfügbaren Materials in Europa wider. Aurubis kommentierte die Angaben auf Nachfrage von Medien nicht.
Für Verarbeiter wie Drahtzieher, Kabel- und Halbzeughersteller ist die Aurubis-Prämie ein wichtiger Referenzwert in den jährlichen Lieferverhandlungen. Ein höherer Aufschlag wirkt sich direkt auf die Einkaufskosten von Raffinadekupfer aus und kann – abhängig von Vertragsstruktur, Hedging-Strategie und Währungskurs – in den Verkaufspreisen für Endkunden sichtbar werden. Zugleich sendet die Entscheidung ein Signal über die wahrgenommene Marktlage: Aurubis trägt damit einer Verknappungstendenz Rechnung, die von Produktionsausfällen in Minen, stabiler Nachfrage aus Energie- und Bauwirtschaft sowie anhaltend hohen Betriebskosten in der europäischen Schmelzindustrie geprägt ist.
Kupfermarkt: Preissprung und knappe Versorgung
Die Rekord-Prämie fällt in eine Phase deutlich festerer Notierungen. LME-Kupfer kletterte Anfang der Woche bis auf 10.800 US-Dollar je Tonne – den höchsten Stand seit 16 Monaten. Auf Monatssicht ergibt sich damit ein Zuwachs von etwa acht Prozent. Getrieben wird die Preisentwicklung von der unverändert robusten Industrienachfrage nach Kupfer, das in der Strominfrastruktur, in erneuerbaren Energien, in der E-Mobilität und in der Gebäudetechnik als unverzichtbarer Leiterwerkstoff gilt.
In Europa kommt hinzu, dass die regionale Versorgung mit Raffinadekupfer eng bleibt. Zwar orientieren sich die Basismargen am globalen LME-Preis, doch die physische Verfügbarkeit vor Ort und die Wettbewerbsposition der Schmelzer bestimmen, wie hoch die Aufschläge ausfallen. Für Abnehmer bedeuten steigende Premiums, dass der effektive Bezugspreis – LME plus Aufschlag – schneller zulegen kann als die Börsennotierung allein. Aurubis bleibt damit ein zentraler Taktgeber für physische Lieferkonditionen im europäischen Markt.
Minenstörungen verstärken den Angebotsdruck
Auf der Angebotsseite belasten mehrere Ereignisse das Marktgleichgewicht. Freeport-McMoRan (NYSE: FCX) rief nach einem tödlichen Erdrutsch im vergangenen Monat am indonesischen Großprojekt Grasberg, der weltweit zweitgrößten Kupfermine, „Force Majeure“ aus. (Wir berichteten https://goldinvest.de/produktionsunterbrechung-auf-grasberg-mine-treibt-kupferpreis-abhaengigkeit-von-grossminen-offengelegt/) Auch auf dem Kamoa-Kakula-Projekt in der Demokratischen Republik Kongo sowie in Chiles traditionsreicher El-Teniente-Mine kam es in diesem Jahr zu Störungen. Solche Unterbrechungen reduzieren kurzfristig das verfügbare Konzentrat und schlagen zeitversetzt auf die Produktion von Raffinadekupfer durch.
Analysten haben ihre Marktprognosen entsprechend angepasst. So bezifferte die Société Générale Ende September den Ausfall bei Grasberg für die Monate September bis Dezember auf rund 273.000 Tonnen und rechnet deshalb mit dem größten globalen Kupferdefizit seit 2004. Die Bank of America hob ihre Erwartung für das Angebotsdefizit im Jahr 2026 deutlich an – auf nunmehr etwa 350.000 Tonnen. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung von Aurubis, die Prämie anzuheben, auch als Reaktion auf ein engeres Rohmaterial-Umfeld zu lesen, das die Schmelzkapazitäten herausfordert und die Absicherung stabiler Lieferketten verteuert.
Für Industriekunden in Europa – von der Kabelindustrie über Maschinenbauer bis zu Automobil- und Energieunternehmen – hat die Aurubis-Prämie unmittelbare Relevanz. In vielen Lieferverträgen wird der LME-Preis gehedgt, nicht jedoch der physische Aufschlag, der meist jährlich ausgehandelt wird. Steigt dieser, verteuern sich die Metallkosten auch dann, wenn die Börsenpreise kurzfristig schwanken. Unternehmen werden daher prüfen, inwieweit sie höhere Bezugskosten weiterreichen oder über Effizienzmaßnahmen und Materialeinsatz gegensteuern können. Substitutionsoptionen sind bei Kupfer aufgrund seiner elektrischen Leitfähigkeit begrenzt; Aluminium ist in einigen Anwendungen eine Alternative, erfüllt aber nicht überall die technischen Anforderungen.
Aurubis bleibt als europäischer Schlüsselanbieter ein wichtiger Bezugspunkt für die Preissetzung. Der Hamburger Konzern bedient eine breite Kundenbasis und verfügt über ein integriertes Recycling- und Hüttennetzwerk, dessen Auslastung auch von der Verfügbarkeit von Schrott und Konzentrat abhängt. Die nun bekannt gewordene Rekord-Prämie von 315 US-Dollar je Tonne deutet darauf hin, dass der Wettbewerb um physische Einheiten 2026 eher intensiver wird – zumal Minenausfälle und Projektverzögerungen den globalen Fluss von Kupferkonzentrat bremsen können.
Für den Markt insgesamt bleibt entscheidend, ob Störungen in der Minenproduktion rasch behoben werden und ob neue Projekte planmäßig anlaufen. Bis dahin dürfte der Fokus auf der Balance zwischen LME-Preis und physischen Aufschlägen liegen. Aus Sicht der Verarbeiter ist der kombinierte Effekt maßgeblich: Erst LME-Basis plus Aurubis-Prämie und weitere logistische Zuschläge ergeben den effektiven Metallpreis im Werk. Vor diesem Hintergrund markiert die Entscheidung von Aurubis einen wichtigen Referenzpunkt für die anstehenden Jahresgespräche – und sie unterstreicht, wie sensibel der europäische Kupfermarkt auf globale Angebots- und Nachfrageimpulse reagiert.